Die charismatische Bewegung
Auferstehung des Urchristentums oder Spiel mit fremdem Feuer?
Musik durchflutet die Halle. Einige der Anwesenden – besonders die kirchlichen Helfer – stellen sich gegenüber in zwei Reihen auf. Sie fassen sich bei den erhobenen Händen und bilden so einen „Feuertunnel“.
Als die Konferenzteilnehmer den „Tunnel“ nacheinander passieren, legen ihnen jene, die den „Tunnel“ bilden, die Hände auf, um ihnen „den Geist“ zu übertragen. Am Ende des „Tunnels“ fallen viele von ihnen in einem ekstatischen Rausch zu Boden oder irren benommen umher. In einigen Fällen zittern und zucken sie dabei heftig und unkontrolliert. Ich bewege mich mehrmals durch den Feuertunnel. Doch merkwürdigerweise legt niemand mir die Hand auf. Wahrscheinlich ist das der Grund dafür, dass ich anschließend – im Vergleich zu den Anderen – verhältnismäßig nüchtern bin. Dennoch fühle ich mich eigenartig und ein wenig benebelt.
Die beschriebene Szene erlebte ich auf einer von zahlreichen charismatischen Versammlungen, die ich zwischen Oktober 2006 und Juni 2007 besuchte. Seit über 100 Jahren verbreitet sich das „Erweckungsfeuer“ der charismatischen Bewegung im gesamten Christentum, und zwar mit zunehmender Geschwindigkeit – und das nicht nur in Afrika und Südamerika. Zu einer Zeit, da viele Kirchenführer in westlichen Ländern eine materialistische Gott-ist-tot-Theologie vertreten, sammeln sich Millionen von Gläubigen auf der anderen Seite des Pendels; sie fühlen sich hingezogen zu dieser neuen Art ekstatischer Spiritualität.
Die Entstehung und Ausbreitung der pfingstlerischen Bewegung und ihres charismatischen Gegenstücks ist eine der bemerkenswertesten religiösen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts. Seit sie kurz nach 1900 entstand, ist sie geradezu explosionsartig gewachsen. Die Zahlen sprechen für sich: Im Jahr 1909 gab es schätzungsweise 50.000 Pfingstler, in den 1950er Jahren waren es schon mehrere Millionen. Und mit dem Einsetzen der charismatischen Bewegung in den 1960er Jahren wuchs diese Zahl noch schneller. Im Jahr 1970 gab es weltweit 72 Millionen Charismatiker (einschließlich Pfingstlern). 1990 war diese Zahl auf 452 Millionen hochgeschnellt. 2002 waren es 523 Millionen und 2005 immerhin schon 650 Millionen. Heute geht man davon aus, dass es 700 Millionen Anhänger dieser Bewegung gibt. Das sind etwa 10 Prozent der Weltbevölkerung! Es gibt Schätzungen, die davon ausgehen, dass es im Jahr 2025 weltweit 811 Millionen Charismatiker geben wird. Zweifellos ist die charismatische Bewegung zu einem religiöspolitischen Machtfaktor geworden. Schon zur ersten Welle der charismatischen Bewegung gehörten die sogenannten Heilungsgottesdienste. Reinhard Bonnke ist heute einer der prominentesten Veranstalter charismatischer Heilungsgottesdienste. In Afrika kommen zu Veranstaltungen dieser Art z. T. mehrere Millionen Menschen zusammen.
Deshalb scheint eine Analyse ihrer Geschichte sowie ihrer Lehren, Praktiken und Ziele unabdingbar. Die Geschichte der Bewegung wird gewöhnlich in drei Abschnitte unterteilt. Diese werden als die drei „Wellen“ des Heiligen Geistes bezeichnet. Die erste dieser Wellen ist die Pfingstbewegung. Ihre Anfänge gehen auf einen amerikanischen Prediger namens Charles Fox Parham (1873-1929) und seine Bibelschule in Topeka, Kansas, zurück. Im Januar des Jahres 1900 erhielten Parham und neun seiner Schüler das, was sie „Taufe mit dem Heiligen Geist mit dem Zeichen der Zungenrede“ nannten. Parham war davon überzeugt, dass er und seine Schüler eine Wiederbelebung des apostolischen Christentums erlebten und fingen an, eine Botschaft zu verkündigen, die Parham als „neuen apostolischen Glauben“ bezeichnete. Zentraler Punkt dieses Glaubens ist die Überzeugung, die Glossolalie oder Zungenrede – ein Sprechen unverständlicher Silben – sei der Beweis dafür, dass jemand die Taufe mit dem Heiligen Geist erhalten habe. Im Jahr 1905 gab Parham seinen Glauben weiter an einen einäugigen afro-amerikanischen Prediger namens William J. Seymour (1870-1922). Er war es, der in der Folgezeit (1906-1909) die sogenannte Azusa-Street-Erweckung im kalifornischen Los Angeles initiierte. Die Azusa-Street-Erweckung gilt im Allgemeinen als das Feuer, das die Pfingstbewegung anzündete.
Zur dritten Welle der charismatischen Bewegung gehört auch die Zeichen-und-Wunder-Bewegung mit der Gründung zahlreicher neu-charismatischer Kirchen.
Trotz ihres eindrucksvollen Wachstums wurde die Pfingstbewegung in den darauf folgenden Jahrzehnten von den großen Kirchen weitgehend ignoriert. Das änderte sich in den 1960er Jahren. Das Pfingstphänomen übersprang plötzlich die Konfessionsgrenzen, und viele Episkopale, Presbyterianer, Baptisten, Evangelikale und Methodisten fingen an, in Zungen zu reden. Diese Phase wird gewöhnlich als die „zweite Welle des Geistes“ bezeichnet. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) zog auch die römisch-katholische Kirche nach und öffnete ihre Türen für das, was als katholisch-charismatische Erneuerung in die Geschichte einging. All jene, die in dieser Phase das pfingstlerische Erlebnis der Zungenrede hatten, wurden als Neu-Pfingstler oder Charismatiker bekannt.
Die „dritte Welle“ der charismatischen Bewegung begann im Jahr 1981, und zwar mit einer Vortragsreihe über Wunder und Gemeindewachstum, die John Wimber (1934-1997) am Fuller-Seminar hielt. Die darin vertretenen Lehren führten zur Geburt der sogenannten Zeichen-und-Wunder-Bewegung, die wiederum die Gründung zahlreicher neu-charismatischer Kirchen nach sich zog. Sie alle waren gekennzeichnet durch eine starke Betonung von Zeichen und Wundern. Dazu gehörten sogenannte göttliche Heilungen, Weissagungen, „geistliche Kriegsführung“, Exorzismus und andere Phänomene, die in den vorherigen Phasen der Bewegung weniger betont wurden. In gewisser Weise wurde in dieser Bewegung die Bedeutung der Zungenrede heruntergespielt.
In den 1990er Jahren überschwemmte der sogenannte „Toronto- Segen“ viele Kirchen weltweit mit einer Reihe merkwürdiger Phänomene. Einige der Manifestationen, die sich bei dieser „Lach-Erweckung“ verbreiten, sind das hysterische „Lachen im Geist“, „Trunkenheit im Geist“ sowie unbeherrschbare körperliche Spasmen und Zuckungen. Es gab Menschen, die wie Tiere auf dem Boden herumkrabbelten, die wie Hunde bellten oder wie Wölfe heulten usw. Seit Beginn der dritten Welle hat die Zahl immer neuer merkwürdiger Erscheinungen stark zugenommen. Dazu gehören der Feuertunnel, sogenannte „Herrlichkeits-Wolken“, Engelfedern, Goldstaub, der auf die Gottesdienstbesucher herabregnet, und sogar die Verwandlung von Zähnen in Gold während der Versammlung. Außerdem wälzen sich Menschen am Boden, weil sie glauben, sie sitzen auf einer geheimnisvollen Schaukel und werden von Gott angestoßen. Andere phantasieren, sie haben eine romantische Beziehung mit Jesus. Dabei flirten und tanzen sie mit ihm (zumindest stellen sie sich das vor). Außerdem gibt es endlose Berichte über sonderbare Träume und Visionen, Erscheinungen und Hirngespinste. Einige Charismatiker behaupten, sie seien im Himmel gewesen, andere, dass sie die Hölle besucht hätten (oder sogar das Fegefeuer). Einige haben sich angeblich mit Engeln unterhalten, andere angeblich physisch mit Teufeln gekämpft. Einige behaupten, sie hätten Besuch von Jesus gehabt, andere, dass sie sich mit dem Apostel Paulus unterhalten hätten. Man könnte die Liste fast beliebig fortsetzen.
Ich selbst gehörte einmal zur charismatischen Bewegung. Kurz nach meiner Bekehrung im Oktober 2006 führte mich ein Bekannter bei der „Kirche der Bundeslade“ (Ark of Covenant Church) ein. Das war eine farbenfreudige afrikanischcharismatische Gemeinde im niederländischen Leeuwarden. Bis Juni 2007 besuchte ich die dortigen Gottesdienste. Etwa zur selben Zeit hatte ich eine gemeinsame Wohnung mit einem äthiopischen Studenten, der aus der Pfingstbewegung kam. Er wurde später Pastor einer äthiopischen Pfingstgemeinde in Rotterdam. Dieser Mitbewohner ermutigte mich, in Zungen zu reden, was ich dann auch hin und wieder tat.
Damals besuchte ich gelegentlich auch die „Christliche Gemeinschaft“ (Christian Fellowship) im niederländischen Drachten. Diese Gemeinde gehört zu einer amerikanischen Dachorganisation namens Morning- Star Ministries, einem Missionswerk, das von Rick Joyner geleitet wurde. Hier kam ich mit einigen der Ideen und Gepflogenheiten der sogenannten „Neuen Apostolischen Reformation“ in Berührung. Ich hatte also die Gelegenheit, Kirchengemeinden aller drei Wellen der charismatischen Bewegung kennenzulernen: der pfingstlerischen, der charismatischen und der neu-charismatischen.
In der Folgezeit trennte ich mich jedoch von dieser Bewegung. Während der acht Monate, in denen ich zur charismatischen Bewegung gehörte, hatte ich nämlich die Bibel von der ersten bis zur letzten Seite gelesen. Ich hatte kein einziges Wort ausgelassen. Mit zunehmendem Bibelwissen erkannte ich, dass einige der Lehren und Praktiken der charismatischen Bewegung nicht biblisch waren. Dazu gehörten auch sogenannte Wohlstandslehren (Prosperity Teachings) à la Joel Osteen und Creflo Dollar, zweier amerikanischer Prediger. Sie lehren, dass Gott möchte, dass jeder Christ reich wird – eine Lehre, die nicht biblisch ist (vgl. 1. Timotheus 6,6-10). Auch in Bezug auf die Manifestationen des Toronto-Segens kamen mir Zweifel. War dies wirklich das Werk des Heiligen Geistes? Es waren diese Zweifel, die mich veranlassten, für die Gabe der Unterscheidung von Geistern zu beten. Von allen Gaben des Heiligen Geistes, die in 1. Korinther 12 aufgelistet werden, war es diese Gabe, die ich mir am meisten wünschte.
In dieser Phase der Unsicherheit besuchte ich eine sogenannte Anbetungskonferenz der „Christlichen Gemeinschaft“ in Drachten. Das war im Mai 2007. Die Veranstaltung wurde von Suzy Wills, ihrem Mann Kamran Yaraei und einigen Musikern aus Rick Joyners MorningStar Ministries geleitet. In dieser Konferenz ging es vor allem darum, Leuten beizubringen, wie man bei verschiedenen Anbetungsstilen „den Geist“ durch sich fließen lässt. Viele der Lehren hatten einen pantheistischen Anklang. So wurde uns gesagt, dass wir ohne Worte mit Gott kommunizieren sollten, etwa durch bestimmte Gesten mit den Händen – ähnlich den Mudra oder Gesten der hinduistischen Tänzerinnen in Indien.
Kamran Yaraei, ein iranischer Ex-Muslim, zeigte uns, wie man mit Gott kommuniziert, indem man auf mystische Weise einen Baum darstellt. Es dauerte nicht lange, und ich lag zusammen mit den anderen Anwesenden ausgestreckt am Boden. Wir stellten uns vor, wir seien Raupen in einem Kokon, die sich in einen Schmetterling verwandelten. Einige sagten, sie würden Engel sehen. Suzy Wills sagte, sie hätte einen Dämon gesehen, der auf dem Kopf eines der Anwesenden herum kaute. Dieser Anwesende war jemand, der den Ereignissen auf der Konferenz kritisch gegenüberstand. Es gab Workshops für „prophetisches Singen“ und „prophetisches Tanzen“. In ihnen wurde uns intuitives Singen und Tanzen beigebracht. Die allem zugrunde liegende Prämisse war, dass alle Anstöße unserer Intuition vom Heiligen Geist kämen. Eine Frau von MorningStar Ministries hatte im vorderen Teil der Kirche eine Art Atelier eingerichtet. Sie unterrichtete „prophetisches Malen“ unter Inspiration durch „den Geist“ und in Harmonie mit der Musik.
Während der gottesdienstlichen Veranstaltungen, die über Stunden gingen, vermischten sich alle diese Formen von „prophetischer Anbetung“. Dabei pushte eine psychedelische Musik mit extrem häufigen Wiederholungen die Anwesenden zu emotionalen Höhen und ekstatischen Erfahrungen. Lieder mit Texten wie „You come around, we all fall down“ (du machst mit, wir alle fallen hin) wurden ständig wiederholt. Am letzten Abend der Konferenz entstand schließlich die allgemeine Erwartung, dass dies der Tag der Erweckung sein würde! Nach mehreren Stunden fieberhaftem „Anbetungsdienst“, während dessen einige der Teilnehmer intensivere ekstatische Erfahrungen hatten als je zuvor, lief die gesamte Versammlung schließlich hinaus auf die Straße. Dabei johlten, sangen und tanzten sie vor dem Eingang der Kirche. Wir müssen wie eine Horde von Verrückten ausgesehen haben. Das war dann das Ende der Konferenz.
Nach dieser Veranstaltung war ich verwirrt – nicht zuletzt, weil jemand, der mir sehr am Herzen lag, nach einer begeisterten Teilnahme in eine schwere Psychose gefallen war. In der darauf folgenden Woche kniete ich eines Tages in meiner Wohnung nieder und weinte bitterlich. Ich war völlig durcheinander und wollte wissen, ob das, was ich auf der Konferenz gesehen und erlebt hatte, von Gott war. Ich hatte Angst, mich dem Wirken des Heiligen Geistes zu widersetzen. Aber ich konnte alle diese Erlebnisse nicht mit der Bibel in Übereinstimmung bringen. Intensiver als je zuvor betete ich um die Fähigkeit, die Geister unterscheiden zu können. Aus meinem tiefsten Inneren schrie ich zu Gott. Ich bat ihn, mir die Wahrheit zu zeigen. Während ich noch auf diese Weise betete und über meine Erlebnisse nachdachte, kam mir der Gedanke in den Sinn: „Es ist unbiblisch, und ich lehne es im Namen Jesu Christi ab.“ Eine Weile dachte ich über diesen Gedanken nach. Und nachdem ich mich der Richtigkeit dieser Überlegung vergewissert hatte, sprach ich diese Worte laut aus. Zunächst mit etwas Zögern, aber dann mit großer Zuversicht erklärte ich: „Es ist unbiblisch, und ich lehne es im Namen Jesu Christi ab!“ Als ich diese Worte in voller Glaubensgewissheit sprach, empfand ich in meinem Geist, dass die Ketten der Finsternis in genau dem Moment von mir abfielen. Der Bann war gebrochen. Der hypnotische Nebel, der mich während der Konferenz umgeben hatte, verschwand sofort. Mein Verstand war klarer als je zuvor. Die Freiheit und Freude, die ich daraufhin verspürte, waren unbeschreiblich. An dem Punkt beschloss ich, nur noch das zu glauben, was in der Bibel steht. Sola Scriptura, allein die Schrift, wurde zur Hauptsäule meines Glaubens. Kurz danach trennte ich mich von der charismatischen Bewegung.
Von da an und bis zum heutigen Tage habe ich die Geschichte sowie die Lehren und Manifestationen der charismatischen Bewegung im Lichte der Bibel studiert. Ich wollte herausfinden, womit ich mich beschäftigt hatte. Nachfolgend möchte ich einige meiner Erkenntnisse wiedergeben. Doch vorher will ich anerkennen, dass es in der pfingstlerischen und charismatischen Bewegung viele aufrichtige und liebevolle Menschen gibt. Viele von ihnen engagieren sich in Rehabilitationsprogrammen für Drogenabhängige und Prostituierte und beteiligen sich an anderen Sozialprojekten. Meine Kritik entspringt also nicht einem Groll gegen diese Menschen, sondern einer tiefen Überzeugung, dass die charismatische Bewegung nicht mit der Bibel übereinstimmt. Und das möchte ich belegen.
Zur Zeit der Azusa-Street- Erweckung im September 1906 veröffentlichte William J. Seymour die erste Ausgabe einer eigenen Zeitung. Ihr Titel: The Apostolic Faith (Der apostolische Glaube). Darin verkündete er: „Pfingsten ist da!“ Pfingsten war bekanntlich der Tag, an dem die Jünger Jesu den Heiligen Geist empfingen und auf die Straßen Jerusalems hinausgingen, um die Auferstehung Christi zu verkündigen. Die Bibel berichtet, wie sie die Gabe der Zungenrede erhielten. Diese befähigte sie, das Evangelium auf übernatürliche Weise in Sprachen zu kommunizieren, die sie nie gelernt hatten. So „hörte sie jeder in seiner eigenen Sprache reden.“ (Apostelgeschichte 2,6) Die Menschen verstanden, was die Apostel sagten, denn Personen unterschiedlichster nationaler Herkunft sagten: „Wir hören sie in unsern Sprachen von den großen Taten Gottes reden.“ (Apostelgeschichte 2,11)
William J. Seymour behauptete, dass die Christen der Azusa Street ein zweites Pfingsten erlebten. War das aber wirklich der Fall? Die Antwort ist Nein. Denn vier Tage nach Beginn dieser „Erweckung“ – das war am 18. April 1906 – berichtete die Los Angeles Times, dass „eine neue Sekte von Fanatikern entstanden“ sei und dass jene, die dazu gehörten, „ohne Worte lallten“, und dass man ein „bizarres Durcheinander von Sprachen“ hören konnte. Natürlich gab es zu neutestamentlicher Zeit tatsächlich eine göttliche Gabe der Zungenrede. Doch bei dieser handelte es sich um eine echte Geistesgabe, die Gott den Aposteln gab, um Sprachbarrieren zu überwinden. Bei der Imitation dieser Gabe in der Azusa Street wurde jedoch keine Sprachbarriere überwunden, sondern aufgebaut. Niemand verstand sie. Das macht deutlich: Was immer die Pfingstbewegung ins Leben rief: Es war nicht Pfingsten. Es war das genaue Gegenteil!
Was genau ist eigentlich die „Taufe mit dem Heiligen Geist“? Der Begriff mag etwas eigenartig klingen – besonders für Nichtchristen. Doch die Taufe mit dem Heiligen Geist bezeichnet laut Bibel einen Moment, in dem „wir den verheißenen Geist empfangen durch den Glauben.“ (Galater 3,14) Durch ihn werden wir befähigt, das zu tun, was in den Augen Gottes recht ist (Philipper 2,13). Als Jesus von Johannes dem Täufer mit Wasser getauft wurde, wurde er zugleich mit dem Heiligen Geist getauft. Die Bibel berichtet: „Und der Heilige Geist fuhr hernieder auf ihn in leiblicher Gestalt wie eine Taube, und eine Stimme kam aus dem Himmel: Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen.“ (Lukas 3,22)
Nirgends lesen wir davon, dass Jesus, der mit dem Heiligen Geist getauft wurde, in Zungen redete. Stattdessen heißt es: „Jesus aber, voll Heiligen Geistes, kam zurück vom Jordan und wurde vom Geist in die Wüste geführt.“ (Lukas 4,1) Man beachte hier die Reihenfolge: 1. Jesus wurde mit dem Heiligen Geist getauft; 2. er wurde zugleich als Sohn Gottes bezeichnet; und 3. er wurde sofort nach seiner Taufe „vom Geist … geführt.“
So sollte es auch bei uns sein. „Denn alle, die durch den Geist geleitet werden, die sind Söhne Gottes.“ (Römer 8,14, Schlachter) Ebenso wie Jesus zum Zeitpunkt seiner Taufe mit dem Heiligen Geist als Sohn Gottes „bezeichnet“ wurde, werden auch wir durch die Taufe mit dem Heiligen Geist zu Kindern Gottes. Und ebenso, wie Jesus unmittelbar nach seiner Taufe durch den Geist „geführt“ oder „geleitet“ wurde, sollten auch wir durch den Geist geführt werden. Der Beweis dafür, dass wir mit dem Heiligen Geist getauft wurden, ist nicht die Zungenrede, sondern die Tatsache, dass wir danach durch den Geist geführt werden. Leider ist dies im Leben vieler Pfingstler und Charismatiker nicht der Fall. Selbst David Wilkerson (1931-2011), ein Prediger der Pfingstler, den ich sehr schätze, gab dies zu. „Tragischerweise“, sagte er, „sprechen zu viele in Zungen, leben dann aber wie der Teufel. Die Sünde wurde [bei ihnen] nie mit der Wurzel ausgerissen. Alles, was sie erhielten, war ein ekstatisches Erlebnis.“Daraus können wir schlussfolgern, dass die Zungenrede überhaupt kein Beweis für die Taufe mit dem Heiligen Geist ist.
Der Mensch muss vom Geist geführt werden, nachdem er mit dem Geist getauft wurde. Woher wissen wir aber, dass jemand durch den Geist geführt wird? Wieder sollten wir das Leben Jesu betrachten. Uns wird gesagt, dass Jesus durch den Geist in die Wüste geführt wurde. Dort wurde er „vierzig Tage lang von dem Teufel versucht“ (Lukas 4,2). Diejenigen, die durch den Geist geführt werden, sind also nicht jenseits von Versuchung. Jedes Mal, wenn der Teufel mit seinen boshaften Vorschlägen zu Jesus kam, antwortete dieser, indem er die Schrift zitierte: „Es steht geschrieben … Es steht geschrieben.“ (Matthäus 4,4-10; Lukas 4,4-12)
Jesus überwand die Versuchungen des Teufels also durch das Wort Gottes und die Kraft des Heiligen Geistes. Der Beweis dafür, dass Jesus mit dem Heiligen Geist getauft war, war nicht die Zungenrede, sondern seine unerschütterliche Treue zum Wort Gottes, der Bibel. So sollte es auch bei uns Christen sein. Martin Luther formulierte dies in treffender Weise, als er sagte: „Der Geist ist nirgends deutlicher gegenwärtig als in seinen eigenen heiligen Schriften.“ Der einzige Beweis dafür, dass jemand mit dem Heiligen Geist getauft wurde, ist seine unerschütterliche Treue zum Wort Gottes. Dahin will uns der Geist führen – ebenso, wie er es bei Jesus tat.
Der Geist der charismatischen Bewegung führt die Menschen leider in eine andere Richtung. John MacArthur, Pastor und Lehrer der Grace-Community-Kirche im kalifornischen Sun Valley, berichtet: „In Presse, Fernsehen und Radio der Charismatiker wird von einer Erfahrung nach der anderen berichtet. Es entwickelt sich ein raffiniertes, aber unheimliches Muster. Anstatt auf eine richtige Auslegung des heiligen Wortes Gottes zu reagieren, sammelt diese Form des Christentums absurde Märchen und produziert so eine pseudochristliche Mystik, die eher dem Hinduismus und dem New Age entspricht als dem biblischen Christentum … Gefühle sind wichtiger als das ewige Wort Gottes. Intuition ist wichtiger als Auslegung. Das ist eine tragische Tatsache.”
Im gleichen Sinne schreibt auch Paul Washer, ein bekannter Baptistenprediger, in einem seiner Bücher: „Der wahre Christ kann eine Trennung von Gefühl und Intellekt, oder eine Trennung von Hingabe zu Gott einerseits und der Wahrheit Gottes andererseits nicht aushalten oder gar überleben. Laut Bibel bieten weder unsere Gefühle noch unsere Erfahrungen eine ausreichende Grundlage für das Leben eines Christen. Nur die Wahrheiten der Schrift, wie sie mit dem Verstand erfasst und durch Lehren kommuniziert werden, können dieses sichere Fundament liefern, auf dem sich unser Glaube und unser Verhalten aufbauen und das die Echtheit unserer Emotionen und Erfahrungen bestimmt. Der Verstand ist nicht der Feind des Herzens, und die Lehre ist kein Hindernis bei unserer Hingabe. Beides gehört notwendigerweise zusammen und sollte auch nicht getrennt werden.“
Wenn wir uns die Versuchungen ansehen, die Jesus in der Wüste überwand, werden wir feststellen, dass diese genau den Themen entsprechen, bei denen die charismatische Bewegung strauchelt und fällt. Jesus hatte in der Wüste 40 Tage lang gefastet, als der Versucher zu ihm kam und sagte: „Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden.“ (Matthäus 4,3) Man beachte, dass der Teufel wollte, dass Jesus sich selbst beweist. Er hatte einen Test entwickelt, mit dessen Hilfe Jesus beweisen sollte, dass er wirklich der Sohn Gottes ist. „Wenn du wirklich der Sohn Gottes bist – wenn du wirklich mit dem Heiligen Geist getauft bist –, dann beweise es! Zeig deine Macht! Wirke ein Wunder! Benutze deine übernatürlichen Fähigkeiten zur Befriedigung deiner selbst!” Nachdem er 40 Tage lang gefastet hatte, war Jesus zweifellos hungrig. Aber er widerstand der Versuchung, die Macht Gottes zu benutzen, um seine eigenen Gefühle zu befriedigen. Stattdessen wandte er sich dem Wort Gottes zu und erwiderte: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.“ (Matthäus 4,4)
Im Gegensatz dazu tun Pfingstler und Charismatiker oft das genaue Gegenteil. Sie wenden sich vom Wort Gottes ab und benutzen das, was sie für die Macht Gottes halten, um ihre eigenen Gefühle zu befriedigen. Mehr noch: Ebenso, wie der Teufel Jesus aufforderte, durch das Wirken eines Wunders seine göttliche Identität unter Beweis zu stellen, fordern Pfingstler oft dazu auf, durch das Reden in Zungen zu beweisen, dass man wirklich ein geisterfüllter Christ ist. Doch ist das der Maßstab, nach dem ein Christ gemessen werden soll? Nicht laut Jesus. Als Christen sollen wir unser Leben nach „einem jeden Wort“ messen, „das aus dem Mund Gottes geht.“
In einem anderen Fall führte der Teufel Jesus auf die Zinne des Tempels und sagte zu ihm: „Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben: ‚Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.‘“ (Matthäus 4,6) Man beachte, dass Jesus hoch oben auf dem Tempel stand. Dort konnten ihn alle sehen, die zum Beten den Tempel besuchten. Wenn Jesus vor den Augen all dieser Menschen heruntergesprungen und ohne die geringste Verletzung – nicht einmal mit einer Schramme – auf dem Boden gelandet wäre, dann wäre dies zweifellos für die Menschen eine große Sensation gewesen.
Also versuchte der Teufel, Jesus dazu zu bringen, seine übernatürlichen Kräfte zur Schau zu stellen – gewissermaßen als eine Art religiöse Unterhaltung für die Zuschauer. Solch ein Akt hätte ihn auf der Stelle berühmt und zweifellos auch sehr populär gemacht. Doch Jesus weigerte sich, aus Religion eine Show zu machen, und antwortete: „Wiederum steht auch geschrieben: ‚Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.‘“ Genau an dieser Stelle strauchelt die charismatische Bewegung. Sensationshascherei scheint bei dieser Bewegung das Thema zu sein. Mit großem „Tamtam“ werden die unglaublichsten Wunder angepriesen. Überall brüsten sich stolze Prediger und Gemeindeglieder mit ihren großartigen übernatürlichen Kräften. Sie versuchen, die Aufmerksamkeit der Massen auf sich selbst zu lenken. Viele von ihnen sind große Geschichtenerzähler. Bobby Conner von den Eagles View Ministries behauptet beispielsweise, er hätte Harry-Potterähnliche Schlachten mit Horden von Hexen geführt. Dabei hätte er mit der Hand Feuerblitze gegen sie geschleudert und die Hexen auf wundersame Weise durch die Luft gewirbelt. Es herrscht eine ungesunde Erregung. Die charismatischen Massen sind begeistert. Während Jesus einen solchen geistlichen Unterhaltungsdienst deutlich ablehnte, haben Charismatiker ein immer stärkeres Verlangen nach dem Sensationellen.
Laut Bibel kam der Teufel ein drittes Mal zu Jesus. Diesmal führte er ihn auf einen hohen Berg und zeigte ihm gleichzeitig alle Reiche der Welt und sagte: „Alle diese Macht will ich dir geben und ihre Herrlichkeit; denn sie ist mir übergeben und ich gebe sie, wem ich will. Wenn du mich anbetest, so soll sie ganz dein sein.“ (Lukas 4,6.7) Mit anderen Worten: Satan sagte im Grunde genommen zu Jesus, dass das Kreuz nicht nötig sei; dass er den Todeskampf auf Golgatha nicht durchmachen müsste, um die Menschheit zu erlösen; dass es einen leichteren Weg gebe, um dies zu erreichen. Er predigte also eine Krone ohne das Kreuz, wie viele charismatische Prediger das heute tun. Ebenso wie Satan verkündigen sie ihre eigene „Herrschaftstheologie“ bzw. „Reich-Gottes-jetzt-Theologie,“ oft vermischt mit den erwähnten Wohlstandslehren. Sie erzählen ihrer Gefolgschaft, dass sie dazu bestimmt seien zu herrschen, und zwar schon diesseits der Ewigkeit. Sie versprechen ihnen die Reiche dieser Welt und fordern sie dazu auf, eine universelle Gottesherrschaft zu errichten, die sie als Reich Gottes auf Erden bezeichnen – eine gefährliche Verführung. Jesus aber hat gesagt: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ (Johannes 18,36) Wenn sie also die Reiche dieser Welt als Reich Gottes bezeichnen, während die Bibel erklärt, dass Satan „der Fürst dieser Welt“ ist (Johannes 14,30), dann beten diese Prediger und ihre Gefolgschaft im Grunde genommen Satan als Gott an, dessen Reich sie helfen aufzubauen. Und so stellen wir fest, dass dort, wo Jesus überwand, die Charismatiker zu Millionen versagen. Denn Jesus weigerte sich, seine Religion um der Politik willen zu kompromittieren, um Reichtum und Macht zu gewinnen. Er sagte: „Geh weg von mir, Satan. Denn es steht geschrieben: ‚Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen.‘“
Wir stellen fest, dass Jesus Christus in allen drei Versuchungen durch den Geist dahin geführt wurde, dass er dem Wort Gottes treu blieb. Die charismatische Bewegung hat das Gegenteil getan: Sie hat genau die Religion angenommen, die Satan in der Wüste predigte.
Eine Lehre, die unter protestantischen Christen – vor allem Pfingstlern und Charismatikern – besonders groß geschrieben wird, besagt, dass Christen nicht die 10 Gebote halten müssen. Der Theologe Lemmer du Plessis, ein führender südafrikanischer Bibellehrer, schreibt in einem Buch, das unter pfingstlerischen und evangelikalen Kirchen Südafrikas, aber auch der Niederlande weit verbreitet ist, dass jene, „die immer noch versuchen, das Gesetz zu halten, geistlich nicht reif sind und noch nicht den Heiligen Geist erhalten haben.“ Und an anderer Stelle: „Christen, die heutzutage versuchen, die 10 Gebote zu halten, behindern die Arbeit des Heiligen Geistes und untergraben das Wesen des neuen Bundes.“ Das sind in der Tat radikale Aussagen. Aber sind sie biblisch?
Die Heilige Schrift erklärt, dass eine der Absichten des Evangeliums ist, dass „die Gerechtigkeit, vom Gesetz gefordert, in uns erfüllt würde, die wir nun nicht nach dem Fleisch [d.h. als Unbekehrte] leben, sondern nach dem Geist.“ (Römer 8,4) Nach dem Gesetz Gottes leben heißt, die 10 Gebote Gottes halten (vgl. Römer 2,27). Dieser Text lehrt im Grunde genommen, dass jene, die durch den Heiligen Geist geführt werden, das Gesetz Gottes halten. Sie werden nicht dadurch gerettet, dass sie das Gesetz halten; doch ihr Glaube an Christus und ihre Liebe zu ihm führen sie dazu, dass sie den Willen Gottes tun, und zwar durch die Kraft des Heiligen Geistes. Andererseits erklärt die Bibel: „Fleischlich gesinnt sein ist Feindschaft gegen Gott, weil das Fleisch dem Gesetz Gottes nicht untertan ist; denn es vermag’s auch nicht.“ (Römer 8,7)
Ganz gleich, für wie geistlich sich die pfingstlerischen Führer halten: Wenn sie sagen, wir brauchten die 10 Gebote nicht zu halten, wenn sie also dem Gesetz Gottes nicht untertan sind, dann sind sie fleischlich gesinnt und leben „in Feindschaft gegen Gott“. Sie haben nicht den Heiligen Geist, „den Gott denen gegeben hat, die ihm gehorchen“ (Apostelgeschichte 5,32). Vielmehr werden sie geführt von Satan, „dem Geist, der zu dieser Zeit am Werk ist in den Kindern des Ungehorsams.“ (Epheser 2,2)
Jesus sagte einmal: „Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr!, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel. Es werden viele zu mir sagen an jenem Tage: Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt? Haben wir nicht in deinem Namen böse Geister ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viele Wunder getan? Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie gekannt; weicht von mir, ihr Übeltäter [ihr, die ihr Gesetzlosigkeit tut].“ (Matthäus 7,21-23)
Aus diesen Versen geht deutlich hervor, dass Jesus von einer Gruppe bekennender Christen spricht, denn sie bezeichnen ihn als „Herrn”. Diese Christen glauben, sie tun das Werk Gottes, denn sie tun es im Namen Christi. Und die Christen, die Jesus hier beschreibt, sind eindeutig charismatisch. Sie „weissagen“, treiben „böse Geister“ aus und tun „viele Wunder“. Auch beschreibt Jesus hier nicht einen isolierten Einzelfall, denn es sind „viele“, die zu dieser Gruppe von Christen gehören werden. Also hat Jesus hier das Aufkommen einer charismatischen Bewegung vorausgesagt, die viele verführt (vgl. Matthäus 24,4-5.11.24-27).
Trotz ihrer großen Zurschaustellung übernatürlicher Kräfte werden diese Christen nicht ins Reich Gottes kommen, denn sie tun nicht den Willen Gottes. Am jüngsten Tag werden sie zu Jesus kommen und sagen: „Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt? Haben wir nicht in deinem Namen böse Geister ausgetrieben? Haben wir nicht in deinem Namen viele Wunder getan?“ Andere mögen sagen: „Herr, Herr, haben wir nicht in deiner Gegenwart ‚gebadet‘? Waren wir nicht betrunken in deinem Geist? Haben wir dich nicht in Träumen und Visionen gesehen? Haben wir nicht in Zungen geredet?“ Aber Jesus wird ihnen antworten: „Ich habe euch noch nie gekannt; weicht von mir, ihr Übeltäter“, „ihr, die ihr das Gesetz übertretet.“
Während sie das Gesetz Gottes übertreten, trachten charismatische Führungspersönlichkeiten danach, ihre eigenen Gesetze aufzustellen. Der politische Arm der charismatischen Bewegung, angeführt von der sogenannten „Neuen Apostolischen Reformation“ (New Apostolic Reformation oder NAR), ist wohl der gefährlichste Spross der „dritten Welle“. Gegründet wurde die Bewegung von C. Peter Wagner, einem selbsternannten Apostel. Er glaubt, wir lebten heute im „zweiten apostolischen Zeitalter“, das angeblich „ungefähr im Jahr 2001 begann.“
Die einflussreichsten Persönlichkeiten der Neuen Apostolischen Bewegung behaupten, Propheten oder Apostel unter der unmittelbaren Inspiration Gottes zu sein. Sie sind die wichtigsten Verfechter der Herrschaftstheologie (Dominion Theology), die auch als Reich-Gottes-jetzt- Theologie bekannt ist. Sie lehren im Grunde genommen, dass die Gläubigen einen universellen Gottesstaat, eine Theokratie auf Erden errichten müssen. Diesen bezeichnen sie als Reich Gottes.
Ein immer wieder auftretendes Thema ihrer Theologie handelt von der „Zurückeroberung der sieben Berge“. Diese Vorstellung basiert auf einer angeblichen Vision, die Gott Loren Cunningham (Jahrgang 1935) und Bill Bright (1921-2003) im Jahr 1975 gegeben haben soll. Die beiden sind Gründer von „Youth With a Mission“ und „Campus Crusade“. Die Gläubigen werden von ihnen aufgefordert, die sieben Berge oder Bereiche der Gesellschaft „zurückzuerobern“. Dabei geht es um 1. Religion, 2. Regierung, 3. Familie, 4. Wirtschaft, 5. Bildung, 6. Medien und 7. Kunst und Unterhaltung. Mit anderen Worten: Es geht um die Eroberung aller Aspekte der Gesellschaft.
Das ist insofern von Bedeutung, als die Bibel die Errichtung einer angemaßten universellen Theokratie vorhersagt. Dabei spricht sie von „sieben Bergen, auf denen die Frau sitzt.“ (Offenbarung 17,9) Das Symbol „Frau“ repräsentiert hier eine abgefallene Kirche (weil sie als Hure dargestellt wird), die am Ende die Regierungen dieser Welt beherrschen und das Gewissen der Menschen dominieren wird. Es gibt sogar mehrere prophetische Aussagen in der Bibel (Offenbarung 13 und 16), die voraussagen, dass eine große „Wunder-und- Zeichen-Bewegung“ die gefallene Kirche an die Macht bringen wird. Laut Bibel wird es eine Zeit geben, in der diese Bewegung mit ihren großen, verführerischen Zeichen und Wundern die Regierungen dieser Welt dazu bringen wird, ein religiöses Gesetz durchzusetzen, das als „Malzeichen des Tieres“ bezeichnet wird. Vieles weist darauf hin, dass die charismatische Bewegung diese beschriebene Rolle einnimmt. Und jene, die sich weigern, diesem Gesetz zu gehorchen, werden nicht mehr kaufen oder verkaufen können (vgl. Offenbarung 13,11-18).
Che Ahn, einer der führenden „Propheten“ der NAR, äußerte in Bezug auf den „Berg der Regierung“: „Wenn wir erst einmal die Spitze erklommen haben, werden wir Gesetze erlassen und Dekrete verfügen können. Wir werden den ganzen Berg verändern und beeinflussen können.“Es würde in das Konzept der NAR passen, wenn das „Malzeichen des Tieres“ eines der Dekrete wäre, die sie zu erlassen und durchsetzen planen, sobald sie die Regierungsgewalt hätten.
Die Neue Apostolische Bewegung ist sogar aktiv dabei, eine „Armee“ zu rekrutieren, um entsprechende Dekrete umzusetzen und eventuelle Übertreter zu bestrafen. Bill Hamon, einer der führenden „Propheten“ der Bewegung, schrieb: „Gottes große Endzeit-Armee bereitet sich augenblicklich darauf vor, Gottes niedergeschriebene Urteile zu vollstrecken. Sie werden dies mit dem Sieg Christi und göttlichen Urteilsdekreten tun, die bereits im Himmel erlassen wurden. Die Zeit ist festgelegt, wenn sie auf der Erde durch Gottes heilige Armee angewendet und umgesetzt werden.“ Hamon hat das Aufkommen der „Armee des Herrn“ vorausgesagt. Er behauptet, dass „Millionen geisterfüllter Christen … glauben, dass diese Armee dazu bestimmt ist, ein Werkzeug bei der Umsetzung der Absichten und Urteile Gottes auf Erden zu sein.“
In charismatischen Kreisen wird diese Armee gewöhnlich als „Joels Armee“ bezeichnet. Buchstäblich Millionen junger Leute werden mobilisiert und ausgebildet, um diese kirchliche Armee aufzubauen. Dabei bedienen sich die Köpfe der Bewegung solcher Instrumente wie „The Call“ (der Ruf), einer Organisation unter der Führung eines gewissen Lou Engle, der riesige Gebetsversammlungen veranstaltet, die von Tausenden besucht werden; Becky Fischers „Jesus Camp“, einem Boot Camp, auf dem kleine Kinder zu „Soldaten Jesu“ gedrillt und indoktriniert werden (im deutschsprachigen Raum bekannt durch den Dokumentarfilm Die Kinder vom Teufelssee); und Rick Joyners MorningStar Ministries, einem „Missionswerk“, das „Kinder von acht Jahren an“ dazu trainiert, „wahre Ritter des Geistes“ zu werden.
Nach Aussagen ihrer eigenen Propheten ist diese Armee dazu bestimmt, eine globale Revolution durchzuführen. Diese wird in charismatischen Kreisen als Elia-Revolution bezeichnet. Rick Joyner, einer der Hauptpropheten der NAR, hat eine „echte Revolution“ vorhergesagt. Sie wird umgesetzt werden von „einer großen Zahl von Propheten, Lehrern, Pastoren und Aposteln, die den Geist des Pinehas haben werden.“
Pinehas war ein Priester im Alten Testament, der den Zorn Gottes von Israel abwendete, indem er an dem notorischsten Ehebrecher im Lager die Todesstrafe vollstreckte (vgl. 4. Mose 25,6-12). Rick Joyner prophezeit demnach das Aufkommen einer Gruppe von Christen, die an jenen die Todesstrafe vollstrecken werden, die sich weigern, ihren Gesetzen zu gehorchen.
Bemerkenswert ist ebenfalls, dass Rick Joyner im Mai 1996 einen Artikel mit dem Titel „Civil War in the Church“ (Bürgerkrieg in der Kirche) veröffentlichte. Darin sagte er voraus, dass die Kirche auf einen „geistlichen Bürgerkrieg“ zusteuere. Er finde statt zwischen den Befürwortern der ökumenischen Einheit und deren Gegnern. Letztere zählt er zu den „Verklägern der Brüder“ (vgl. Offenbarung 12,10; damit ist eigentlich Satan gemeint). Laut Joyner wird dieser Krieg „eine der grausamsten Schlachten sein, die die Kirche je erlebt hat. Wie in jedem Bürgerkrieg wird sich Bruder gegen Bruder wenden, wie wir es noch nie zuvor in der Kirche erlebt haben.“ Ferner behauptet er, dass „die Definition für einen vollkommenen Sieg in diesem Krieg die völlige Überwältigung der Machtbasis des Verklägers der Brüder in der Kirche“ sein wird. „Diese Schlacht muss geschlagen werden. Sie ist eine Chance, den Verkläger aus der Kirche hinauszutreiben. Erst dann wird die Kirche zu völliger Einheit gelangen, was sonst nicht möglich wäre.“
Mit anderen Worten: Die Stimme des Widerstands müsse um jeden Preis zum Schweigen gebracht werden. Wer es wagt, sich der ökumenischen Einheit zu widersetzen, wird aus seiner Ortsgemeinde ausgeschlossen. Es ist durchaus vorstellbar, dass Joels Armee zu dieser Verfolgungsmacht wird, die – wie es in der Prophezeiung vorhergesagt wird – dafür sorgt, „dass alle, die das Bild des Tieres nicht anbeten, getötet würden.“ (Offenbarung 13,15) Die zitierten Worte Rick Joyners erinnern an eine Vorhersage Jesu Christi: „Sie werden euch aus der Synagoge ausstoßen. Es kommt aber die Zeit, dass, wer euch tötet, meinen wird, er tue Gott einen Dienst damit. Und das werden sie darum tun, weil sie weder meinen Vater noch mich erkennen. Aber dies habe ich zu euch geredet, damit, wenn ihre Stunde kommen wird, ihr daran denkt, dass ich’s euch gesagt habe.“ (Johannes 16,2-4) Diese Zeit scheint unmittelbar vor der Tür zu stehen. Bibelgläubige Christen sollten sich darauf einstellen, dass die Feuer der Verfolgung schon bald angezündet werden könnten.
Die Verirrungen der charismatischen Bewegung gehen aber noch weiter. Laut Bibel beschuldigten die Pharisäer Jesus, er treibe „die bösen Geister nicht anders aus als durch Beelzebul, ihren Obersten.“ (Matthäus 12,24) Jesus wies diese Anschuldigung indirekt zurück, indem er sagte, dass er „die bösen Geister durch den Geist Gottes austreibe.“ (Matthäus 12,28) Die Pharisäer schrieben die Werke Jesu also dem Teufel zu, wohingegen sie in Wirklichkeit das Werk des Heiligen Geistes waren. Damit sündigten sie nicht nur gegen Jesus, sondern gegen den Heiligen Geist. Deshalb sagte Jesus zu ihnen: „Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben; aber die Lästerung gegen den Heiligen Geist wird nicht vergeben.“ (Matthäus 12,31) Charismatiker nehmen diesen Text häufig aus seinem Zusammenhang heraus, indem sie anderen sagen, dass man gegen den Heiligen Geist sündige, wenn man die charismatischen Manifestationen oder ihre Prediger kritisiere. So wird die Stimme der Opposition weitgehend zum Schweigen gebracht. Wer will schon seine Erlösung riskieren, indem er bei einem teilweise so schwer einzuordnenden Phänomen gegen den Heiligen Geist sündigt. Was wäre, wenn das Ganze doch von Gott ist?
Betrachten wir das Thema noch aus einer anderen Perspektive. Die charismatische Bewegung schreibt okkulte und dämonische Manifestationen dem Heiligen Geist zu. Wenn hier also jemand Gefahr läuft, gegen den Heiligen Geist zu sündigen, dann ist sie es. Viele der Praktiken in den charismatischen Gemeinden und Kirchen haben in der New-Age- Bewegung ihr okkultes Gegenstück (nur dort geben die Führer offen zu, dass es der Geist Luzifers ist, der in ihnen wirkt). Was Charismatiker beispielsweise als „prophetisches Singen“, „prophetisches Tanzen“ und „prophetisches Malen“ bezeichnen, ist in der New-Age-Bewegung als „intuitives Singen“, „intuitives Tanzen“ und „intuitives Malen“ bekannt. Was auch Einzug gehalten hat in vielen charismatischen Kirchen und Gemeinden, ist eine Art kontemplatives Gebet, das als „soaking prayer“ (Gebetsbad) bezeichnet wird. Bei dieser Form des Gebets bringen die Gemeindeglieder ihre Kissen und Decken mit in die Versammlung, um sich dann in stiller Meditation auf den Fußboden der Kirche zu legen. Dabei „baden“ sie angeblich „im Heiligen Geist“, während im Hintergrund meditative Musik spielt. In der New-Age-Bewegung läuft diese Praktik unter verschiedenen Namen – etwa „Liegekonzert“ (lay down concert), „Meditationskonzert“ oder „Entspannungskonzert“. Doch hier werden diese Dinge mit der Druidenreligion oder dem Schamanismus in Verbindung gebracht.
Es gibt auch eine auffallende Parallele zwischen dem Toronto-Segen und seinem okkulten Gegenstück im Hinduismus und in der New-Age- Spiritualität, wo die entsprechenden Phänomene allerdings auf das Wirken von Kundalini, der Macht der Schlange, zurückgeführt werden. Benjamin Crème, der führende Prophet des Maitreya, dem New- Age-Christus, hat sogar selbst gesagt, dass der Toronto-Segen „die Methode sei, die von seinen geistlichen Herren benutzt wird, um die fundamentalistischen Christen dahingehend aufzuweichen, dass sie den New-Age-Christus annehmen, wenn er erscheint.“ Und da der New-Age- Christus niemand anderes als Luzifer oder Satan ist, der vorhat, die Wiederkunft Jesu Christi zu imitieren, ist offensichtlich, dass diese Manifestationen nie und nimmer das Werk des Heiligen Geistes sein können.
Jesus sagte einmal, der Heilige Geist „wird … der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht.“ (Johannes 16,8) Es ist also das Werk des Heiligen Geistes, uns der Sünde zu überführen. Und das tut er durch das Gesetz, „denn durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde.“ (Römer 3,20) Der Heilige Geist hält uns das Gesetz Gottes vor Augen. So schafft er in uns das Bewusstsein von Sünde, damit wir uns Christus zuwenden, um uns von unserer Sünde reinigen zu lassen (vgl. 1. Johannes 1,9). Aber das ist genau jenes Wirken des Heiligen Geistes, das viele innerhalb der charismatischen Bewegung leugnen. Der bekannte charismatische Prediger Joseph Prince von der New Creation Church in Singapur, mit 22.000 wöchentlichen Gottesdienstbesuchern eine der größten Ortsgemeinden Asiens, erklärt in seinem Buch Destined to Reign (Zur Herrschaft bestimmt): „Im Grunde genommen überführt dich der Heilige Geist nie deiner Sünde. Er kommt nie zu dir, um dir deine Fehler zu zeigen. Ich fordere dich auf, mir einen Text in der Bibel zu zeigen, der besagt, dass der Heilige Geist gekommen sei, um dich der Sünde zu überführen.“
Joel Osteen, der bekannte Wohlstandsprediger und Pastor der Lakewood Church, die mit 47.000 regelmäßigen Gottesdienstbesuchern die größte Ortsgemeinde der Vereinigten Staaten ist, erklärt in gleicher Weise in einem seiner Bücher, dass dieses „Sündenbewusstsein“ vom „Feind“ sei.
Ähnliches wird von Creflo Dollar und anderen charismatischen Predigern gelehrt. Diese Männer schreiben folglich das Wirken des Heiligen Geistes dem Teufel zu – ebenso wie es einst die Pharisäer taten. Und damit sündigen sie gegen den Heiligen Geist. Das Traurige ist, dass diese Sünde nicht vergeben werden kann, denn demjenigen, der immer und immer wieder die Stimme, die ihn der Sünde überführt, dem Teufel zuschreibt, hat der Heilige Geist nichts mehr zu sagen. Denn immer dann, wenn der Heilige Geist diese verblendeten Prediger und ihre verblendeten Nachfolger der Sünde überführt, glauben sie, es sei der Teufel, der sie verklagt. Sie weisen die Stimme des Heiligen Geistes zurück und halten sie für die Stimme des Teufels, weil sie den Heiligen Geist mit dem Verkläger der Brüder verwechseln. Wenn also Rick Joyner und seine Gesinnungsgenossen danach trachten, „den Verkläger aus der Kirche zu vertreiben“, ist es in Wirklichkeit der Heilige Geist, gegen den sie kämpfen.
Es ist offensichtlich, dass die charismatische Bewegung das Wort Gottes, das Gesetz Gottes und den Geist Gottes ablehnt. Stattdessen ergreifen sie genau jene Religion, die Satan bei seiner Begegnung mit Jesus in der Wüste predigte. Jesus kam, um zu dienen, nicht um zu herrschen. Die Herrschsucht der Charismatiker ist also völlig unchristlich. Man muss schlussfolgern, dass diese Bewegung nicht durch den Heiligen Geist gewirkt wird. Was dahinter steckt, sind vielmehr „Geister von Teufeln, die tun Zeichen und gehen aus zu den Königen der ganzen Welt, sie zu versammeln zum Kampf am großen Tag Gottes, des Allmächtigen.“ (Offenbarung 16,14)
Die Welt des Christentums ist mittlerweile zum Zentrum babylonischer Verwirrung geworden. Gottes letzte Warnung muss gehört werden: „Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die Große, und ist eine Behausung der Teufel geworden und ein Gefängnis aller unreinen Geister und ein Gefängnis aller unreinen Vögel und ein Gefängnis aller unreinen und verhassten Tiere … Geht hinaus aus ihr, mein Volk, dass ihr nichts empfangt von ihren Plagen.“ (Offenbarung 18,2-4)
Der bekannte amerikanische Prediger A. W. Tozer (1897-1963) sagte einmal: „Ich bin ein Bibel-Christ, und wenn ein Erzengel mit der Spannweite einer Constellation [heute würde man Boing 747 sagen] und leuchtend wie die Sonne zu mir käme und mir eine neue Wahrheit anböte, würde ich ihn um eine Bibelstelle als Beleg bitten. Wenn er mir nicht zeigen könnte, wo das in der Bibel geschrieben steht, würde ich ihm höflich die Tür zeigen und sagen: ‚Es tut mir schrecklich leid, aber du hast keine Bibelstelle mitgebracht.‘“ Diese Einstellung ist unser einziger Schutz gegen Verführung. Es war das Prinzip Sola Scriptura, das das finstere Mittelalter beendete. Es hat meine persönliche Verwirrung beendet. Und es ist der einzige Schutz gegen die listigen Versuchungen Satans. Der Prophet sagte einst: „‘Zum Gesetz und zum Zeugnis!‘ – wenn sie nicht so sprechen, gibt es für sie kein Morgenrot.“ (Jesaja 8,20 Schlachter)
Jozef D. Astley, „Die charismatische Bewegung: Auferstehung des Urchristentums oder Spiel mit dem fremden Feuer“, Info Vero (Ausg. 2, Mai 2012), S. 72-90