Israel und Harmagedon
Schlägt Gott Israels letzte Schlacht im Mittleren Osten?
Harmagedon: Die letzten Tage der Erde ist Band 11 der Bestseller-Buchreihe Finale. Nun wird Harmagedon überall in den USA von Christen wie auch „interessierten Weltmenschen“ verschlungen, die in einem Land, das sich im Krieg gegen den Terror befindet, nach Antworten suchen. In der Vorabwerbung wird die Geschichte eines verstreuten Überrests von Gläubigen umrissen, „die es unwiderstehlich in den Mittleren Osten zog, genau wie die Armeen der ganzen Welt, als der Tag der Schlacht aller Schlachten näher kam.“
Obwohl die Handlung von Harmagedon fiktiv ist, reflektiert sie doch die ganz reale Theologie von Millionen Menschen, die in groben Zügen etwa so verläuft: Das letzte Schlachtfeld der Weltgeschichte ist der Mittlere Osten. In diesem Kampf stehen sich der Anti-Christus und die Juden gegenüber. Der Konflikt ist militärisch. Mittelpunkt ist ein Tal bei Jerusalem, wo „alle Weltheere“ sich zur „größten Schlacht aller Zeiten“ versammeln.
Glaubt man Büchern wie Harmagedon, Radiosendungen wie Irvin Baxters Politics and Religion (Politik und Religion), Fernsehsendern wie Pat Robertsons CBN und teuren apokalyptischen Filmen wie Omega Code, werden sich die letzten Prophezeiungen der Bibel im heutigen Israel und einer blutbefleckten Stadt Jerusalem erfüllen. In den letzten Zügen der Weltgeschichte, so wird gesagt, werde der Allmächtige für sein auserwähltes Volk Israel kämpfen und die einfallenden Feinde der Juden endgültig zermalmen. Das wird nun in christlichen Kreisen rund um den Globus gelehrt.
Der Glaube, Gott würde die Juden im Mittleren Osten im Kampf von Harmagedon verteidigen, ist im Denken der Evangelikalen des 21. Jahrhunderts so verankert, dass er sogar die Außenpolitik der USA gegenüber dem Staat Israel beeinflusst hat.[1] Die Vereinigten Staaten unterstützen Israel nicht nur als Demokratie, was ja gut ist. Vielmehr sind unzählige US-Bürger einschließlich prophetiegläubiger, politisch aktiver Christen in Washington D. C. fest überzeugt: Wenn wir Israel helfen, hilft Gott uns. Von Kalifornien bis New York hört man im Radio und Fernsehen immer wieder Sätze wie „Wer Israel segnet, ist gesegnet, und wer Israel verflucht, ist verflucht“, obwohl das so in der Bibel gar nicht vorkommt.
Ich bin selbst Jude und liebe jüdische Menschen. Ich glaube an Jesus Christus als meinen Messias und Heiland. So wie es jeder Christ tun sollte, sehne ich mich danach, dass Gott sowohl die Juden als auch die Araber segnet. Mit diesem Artikel will ich nicht die amerikanische Unterstützung Israels verurteilen oder das kaum überblickbare Chaos im Mittleren Osten zu lösen versuchen. Vielmehr wollen wir erneut untersuchen, was das Neue Testament und besonders die Offenbarung wirklich über Israel, Jerusalem und Harmagedon sagen. Hat der Hit der Finale-Serie, Harmagedon: Die letzten Tage der Erde, Recht damit, dass Gott das moderne Israel im letzten Kampf verteidigen wird? Ist die massive Gott-steht-hinter-Israel- Theologie der christlichen Kirchen korrekt, oder hängt das Bild schief?
Zwei Israel
Zuerst der Schock: Das Neue Testament beschreibt tatsächlich zwei Israel. Paulus sagt: „Denn nicht alle sind Israel, die von Israel abstammen.“ (Römer 9,6) Was bedeutet diese verwirrende Aussage? „Die von Israel abstammen“ sind die Menschen, die zur wörtlichen jüdischen Nation gehören. Aber nur weil diese Menschen „von Israel abstammen“ oder Juden sind, sind sie noch nicht „Israel“.
Paulus erklärt weiter, dass es ein „Israel nach dem Fleisch“ (1. Korinther 10,18) gibt und ein „Israel Gottes“ (Galater 6,14-16), in dessen Mittelpunkt Jesus Christus steht. Der Einfachheit halber nenne ich sie „Israel 1“ und „Israel 2“. Israel 1 sind die „Israeliten … nach dem Fleisch“ (Römer 9,3f), die buchstäblichen Juden, die Nachfahren Abrahams sind, aber nicht an Jesus Christus als Messias glauben. Sehr treffend schreibt Paulus: „Nicht das sind Gottes Kinder, die nach dem Fleisch Kinder sind.“ (Römer 9,8) Folglich besteht Israel 1, auch wenn es eine wunderbare Abstammung hat, aus Menschen, die geistlich gesehen „nicht Gottes Kinder sind“. Im neutestamentlichen Sinne sind nur die Gottes Kinder, die Jesus Christus als ihren Herrn angenommen haben (siehe Johannes 1,12).
„Das Israel Gottes“ (Galater 6,16) oder Israel 2 ist eine gemischte Gruppe aus Juden und Nichtjuden, die an den Gekreuzigten glauben, dem eigenen Ich abgestorben und wiedergeboren sind (Vers 14f). Sie werden „das Israel Gottes“ genannt, weil sie auf Gott ausgerichtet sind und wirklich mit ihm leben. Traurigerweise trifft das auf die meisten heutigen Israelis nicht zu. Durch die Kraft des Heiligen Geistes kommen aber auch heute viele zu einem erfüllten Glauben an Jesus Christus.
An Nichtjuden bzw. Heiden schrieb Paulus: „Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Kinder und nach der Verheißung Erben.“ (Galater 3,28) Dieser Satz ist äußerst wichtig. Er zeigt, dass Heiden, die „zu Christus gehören“, auf geheimnisvolle Weise in „Abrahams Samen“ eingepflanzt werden, der nach Jesaja 41,8 „Israel“ ist. In Galater 6 fasst Paulus die Lehre zusammen: Jeder, sei er beschnitten oder unbeschnitten, der durch den Glauben an Jesus eine „neue Kreatur“ geworden ist, ist nun Teil des „Israel Gottes“ (Vers 14-16). Diese Menschen gehören zu Israel 2.
Welches Israel also?
Die brisante Frage ist: Welches Volk steht in der Offenbarung im Mittelpunkt, Israel 1 oder Israel 2? Ist es „Israel nach dem Fleisch“, also das heutige Israel mit Jerusalem als Hauptstadt? Millionen prophetiegläubiger, konservativer und politisch aktiver Christen denken so. Das Buch Harmagedon aus der Finale-Serie sagt es. Aber sagt es auch die Offenbarung? Die Antwort liegt nicht auf der Hand, sondern in den Tiefen des Wortes Gottes.
Wenn wir die geheimnisvollen Seiten der Offenbarung öffnen, entdecken wir Voraussagen über den Berg Zion (14,1), die zwölf Stämme Israels (21,10), den Tempel (11,19), Sodom und Ägypten (11,8), Babylon (17,5), den Euphrat (16,12) und Harmagedon (16,16). Die Prophezeiungen der Offenbarung benutzen also die Begriffe und Geographie des Mittleren Ostens.
Die entscheidende Frage lautet aber: Meint Gott hier tatsächlich die realen Orte im Mittleren Osten und das „Israel nach dem Fleisch“ mit der heutigen Stadt Jerusalem als Zentrum (Israel 1)? Oder sind diese Weissagungen geistlicher Natur und beziehen sich auf das „Israel Gottes“ mit Jesus Christus als Zentrum (Israel 2), also auf ein geistliches Israel aus neugeborenen Juden und Heiden, das über die ganze Welt verstreut lebt? Die meisten Theologen deuten die Offenbarung wörtlich auf Israel und den Mittleren Osten, aber ist das richtig?
Die Bedeutung
Beginnen wir einmal ganz am Anfang der Offenbarung. Das letzte Buch der Bibel ist „die Offenbarung Jesu Christi“ (Offenbarung 1,1). Jesus Christus ist die Quelle, das Zentrum und auch der Ausleger. Im ersten Kapitel ist Johannes „im Geist“ (!) und sieht Jesus „mitten unter den sieben goldenen Leuchtern wandeln“ (Vers 10-13). Die „sieben goldenen Leuchter“ erinnern an den siebenarmigen Leuchter im jüdischen Tempel, der etwa ein Viertel Jahrhundert zuvor im Jahre 70 n. Chr. von römischen Armeen zerstört worden war. Die „sieben goldenen Leuchter“ können also nur symbolisch gemeint sein.
Licht ins Dunkel – Beweisstück A
Was stellen sie dar? Der himmlische Ausleger selbst bringt Licht in dieses „Geheimnis“: „Die sieben Leuchter sind sieben Gemeinden.“ (Offenbarung 1,20) So nimmt Jesus schon im allerersten Kapitel der Offenbarung etwas typisch Jüdisches und wendet es symbolisch an, um seine Gemeinde darzustellen. Wie wir noch sehen werden, ist dieses Prinzip der Schlüssel zum Verständnis der gesamten Offenbarung.
Beweisstück B
In seinem Brief an die „Gemeinde in Thyatira“ (Offenbarung 2,18) tadelt Jesus sein Volk, weil es „Isebel duldet, diese Frau, die sagt, sie sei eine Prophetin, und lehrt und verführt meine Knechte“ (Vers 20). Isebel war eine alttestamentliche gottlose Königin, die in Israel eingeheiratet und viele Probleme verursacht hatte. Meint Jesus nun, eine reinkarnierte oder auferweckte „Isebel“ würde Thyatira persönlich lehren und verführen? Natürlich nicht. Man sieht recht schnell, dass „Isebel“ ein Symbol für eine böse Bewegung ist, die Einfluss auf die Gemeinde ausübt. Wie schon bei den sieben Leuchtern nimmt Gottes Messias ein Element aus der jüdischen Geschichte und bezieht es symbolisch auf seine Gemeinde, „das Israel Gottes“.
Beweisstück C
In Offenbarung 3 diktiert der himmlische Ausleger einen weiteren Brief, diesmal an „die Gemeinde in Philadelphia“ (Vers 7). Dort sagt er, dass ein Christ eine „Säule im Tempel meines Gottes“ werden und einen Platz „in der Stadt meines Gottes, dem Neuen Jerusalem“ haben kann (Vers 12). Ein gewichtiges Beweisstück! Jesus nimmt nicht nur erneut Bilder aus dem jüdischen Tempel und wendet sie symbolisch auf seine Gemeinde an, sondern er spricht auch von einer anderen Stadt, dem „Neuen Jerusalem“, als der wahren Stadt Gottes. Diese Stadt ist kein neugestaltetes irdisches Jerusalem, wo die Einschusslöcher verspachtelt und das Blut der Selbstmord- Attentäter weggeschrubbt worden sind. Diese Stadt „kommt vom Himmel herab“ (Vers 12).
„Im Geist“
Vergessen wir nicht: In Offenbarung 1 ist Johannes während seiner Vision „im Geist“ (Vers 10) und bleibt es die ganze Offenbarung hindurch (Offenbarung 4,2; 17,3; 21,10). „Im Geist“ sieht man mit den Augen des Heiligen Geistes statt mit den natürlichen. Paulus beschreibt ja zwei Israel, eins „nach dem Fleisch“ und ein anderes „in Christus“. Wieder stellt sich die Frage: Welches Israel beinhaltet „die Offenbarung Jesu Christi“? Wenn Gottes letztes Meisterwerk der Prophetie über „Israel“ spricht (7,4), den „Berg Zion“ (14,1), „Jerusalem“ (21,10), den „Tempel“ (11,19), „Sodom und Ägypten“ (11,8), „Babylon“ (17,5), den „Euphrat“ (16,12) und „Harmagedon“ (16,16), meint es dann irdische Realität, vom Krieg zerrüttete Orte unweit des Irak, südlich von Bagdad, westlich vom Jordan, östlich von Tel-Aviv und im Norden des palästinensischen Hauptquartiers?
Beweisstück D
Tatsächlich bezieht sich jede Erwähnung von „Jerusalem“ in Gottes letztem Buch auf das „Neue Jerusalem“ (2,12; 21,2.10), das sich auf einem himmlischen, „großen und hohen Berg“ (Zion) befindet (21,10; 14,1), wo der „Tempel Gottes … im Himmel“ steht (11,19; 15,5; 16,1.17) und die zukünftige Heimat des siegreichen „Israel“ ist (7,4), das „dem Lamm folgt, wohin es auch geht“ (14,1.4). Der Feind dieses „Neuen Jerusalem“ ist eine „große Stadt“, die „das Geheimnis Babylon“ genannt wird (14,8; 17,5; 18,2), die „an den vielen Wassern“ (17,1) des „großen Stromes Euphrat“ (16,12) sitzt, bis Gottes Zorn sie im letzten Kampf von „Harmagedon“ vernichtet (16,16.19). Und genau das ist der Punkt: Die Offenbarung gebraucht die Sprache und Umgebung des Mittleren Ostens, um auf einzigartige und geniale Weise himmlische und geistliche Zusammenhänge zu veranschaulichen.
Der Euphrat
Wenden wir uns nun „dem großen Strom Euphrat“ zu. Die Bibel sagt: „Der sechste Engel goss seine Schale aus auf den großen Strom Euphrat; und sein Wasser vertrocknete, damit den Königen vom Aufgang der Sonne der Weg bereitet würde.“ (Offenbarung 16,12) Wird die Terminologie des Mittleren Ostens in der Offenbarung wörtlich genommen – so wie in Harmagedon aus der Finale-Serie – dann versteht man diese Könige gewöhnlich als asiatische Streitkräfte, die ein trockenes Flussbett überqueren, um bei Harmagedon die Juden unter Beschuss zu nehmen. Ein bekannter amerikanischer Radioprediger vermutet, der Fluss könnte durch einen türkischen Damm ausgetrocknet werden.[2] Ist das wirklich der Inhalt von Offenb. 16,12?
Um diese unglaubliche Weissagung zu verstehen, müssen wir die biblische Geschichte des alten Israel und des wörtlichen Babylon zu Hilfe nehmen. Im Jahr 605 v. Chr. kam „Nebukadnezar, König von Babylon, nach Jerusalem und belagerte es“ (Daniel 1,1). Jerusalem wurde eingenommen und Israel in 70 Jahre Gefangenschaft geführt (Daniel 9,2). Nach diesen 70 Jahren aber geschah Erstaunliches: Der Euphrat trocknete aus, Babylon wurde von Osten her eingenommen und Israel befreit. Diese Begebenheiten bilden den Hintergrund von Offenbarung 16,12.
Das alte Babylon saß gewissermaßen auf dem Euphrat (Jeremia 51,63f). Die Stadt war von einer Mauer umgeben. Der Euphrat floss mitten durch die Stadt Babylon, durch eine Maueröffnung hinein und eine andere hinaus, geschützt durch bis zum Flussbett hinunterreichende Tore. Wenn diese Tore und alle anderen Zugänge verschlossen waren, war Babylon praktisch uneinnehmbar.
Gottes Gesalbter
In jener Nacht im Jahre 538 v. Chr., als das alte Babylon fiel, waren nicht nur der König und seine Untertanen vom Wein betrunken (Daniel 5), sondern auch die Wächter, die vergaßen, die zwei Tore ganz zu schließen. Über 100 Jahre vorher schon hatte Gott über Babylon und den Euphrat vorausgesagt: „Und deine Ströme werde ich trockenlegen.“ (Jesaja 44,27) Über „Kyrus“, den Mann, der Babylon erobern sollte, sagte der Herr: Ich werde „Türen vor ihm öffnen, und Tore bleiben nicht verschlossen“ (Jesaja 45,1). Überdies nennt Gott Kyrus seinen „Hirten“ und „Gesalbten“ (Jesaja 44,28; 45,1). Somit war Kyrus ein Vorbild auf Jesus Christus. Und er kam „aus dem Osten“ (Jesaja 46,11)!
Im Britischen Museum in London liegt der bekannte Kyrus-Zylinder, der beschreibt, wie Kyrus Babylon einnahm. Seine Armee hob stromaufwärts Gräben aus, um das Wasser des Euphrats umzuleiten. Niemand in der Stadt schien zu bemerken, dass der Wasserspiegel des durchquerenden Flusses allmählich sank. In der Nacht, als Belsazars Trinkgelage seinen Höhepunkt erreicht hatte (Daniel 5), stand das Wasser schließlich so niedrig, dass Kyrus’ Männer sich unauffällig durch die offen stehenden Doppeltore stehlen konnten. Die dem Untergang geweihte Stadt fiel innerhalb kurzer Zeit, und der König wurde getötet (Daniel 5,30). Schon bald gab Kyrus seinen berühmten Erlass heraus und entließ die Juden aus der Gefangenschaft in die Freiheit (Esra 1).
„Die Offenbarung Jesu Christi“ greift diese uralte Geschichte auf geniale Weise auf und wendet sie mit faszinierender prophetischer Kraft auf ein anderes „Babylon“, ein anderes „Israel“, einen anderen „Euphrat“ und eine andere Befreiung „aus dem Osten“ an.
Im Alten Testament fand ein buchstäblicher Kampf zwischen den Nationen Israel und Babylon statt (Daniel 1). In der Offenbarung finden wir auch einen Kampf zwischen „Israel“ und „Babylon“ (Offenbarung 7,4; 14,1.8). Die meisten heutigen Prophetieausleger wenden dieses Geschehen oder zumindest den „Israel“-Teil auf die Juden im Westjordanland an. Doch bedeutet „Babylon“ tatsächlich die Wiederauferstehung einer antiken Stadt südlich von Bagdad, wie einige sagen? Das Beweismaterial spricht dagegen.
In Offenbarung 17 winkt ein glänzender Engel Johannes heran: „Komm! Ich will dir das Gericht über die große Hure zeigen, die an den vielen Wassern sitzt … Und er brachte mich im Geist in eine Wüste. Und ich sah eine Frau auf einem scharlachroten Tier sitzen, das voll Namen der Lästerung war … sie hatte einen goldenen Becher in ihrer Hand … Auf ihrer Stirn war ein Name geschrieben: GEHEIMNIS, BABYLON, DIE GROSSE, DIE MUTTER DER HUREN UND DER GRÄUEL DER ERDE“ (Vers 1.3-5). Johannes war „im Geist“ (Vers 3), als er das sah. Auch wir müssen „im Geist“ sein, um es richtig zu deuten.
Der Name der Frau ist „das Geheimnis Babylon“. „Geheimnis“ ist ein Schlüsselwort, das der wahre Ausleger, Jesus Christus, schon in Offenbarung 1 in Zusammenhang mit dem jüdischen Symbol der „sieben goldenen Leuchter“ verwendet hat, die er als seine Gemeinde deutete. Das gleiche Wort bezeichnet in Offenbarung 17 den Feind der Gemeinde: „das Geheimnis Babylon“. Dieses „Babylon“ hat nichts mehr zu tun mit der antiken Stadt, deren Ziegel südlich von Bagdad die Sonne bleicht.
Der Hintergrund von Babylon
Zur Zeit des Alten Testaments lag Babylon am Euphrat. In der „Offenbarung Jesu Christi“ sitzt auch das Geheimnis Babylon „an vielen Wassern“ (17,1). Aber diese Wasser beziehen sich nicht auf den trüben Euphrat, der heute durch den Irak rinnt. Die Bibel braucht nur einen Text, um das klar zu machen! Im geistlichen Krieg gegen den Irrtum hat dieser Text enorme Sprengkraft. Der Engel erklärt Johannes: „Die Wasser, die du gesehen hast, wo die Hure sitzt, sind Völker und Scharen und Nationen und Sprachen.“ (Offenbarung 17,15)
Der Engel deutet die „vielen Wasser“ des Euphrats in der Offenbarung als „Völker“ der ganzen Erde, die nun „das Geheimnis Babylon“ unterstützen. Sie sind „trunken geworden von dem Wein ihrer Unzucht“ (17,2). „Wein“ ist ganz offensichtlich ein Symbol, genauso „Unzucht“. Der „Wein“ steht für die falschen Lehren Babylons, während „Unzucht“ die unrechtmäßige Verbindung mit den „Königen der Erde“ darstellt (17,2).
„Das Geheimnis Babylon“ ist auch „eine Frau“ (17,3). Eine Frau ist in der Prophetie eine Gemeinde oder Kirche. Gott vergleicht Sein Volk mit einer treuen „Ehefrau“, die sich für das „Hochzeitsmahl des Lammes“ „bereit gemacht“ hat. (19,7.9) Die babylonische Frau dagegen ist „gefallen“ (14,8). Das muss heißen, dass „das Geheimnis Babylon“ in der Offenbarung zugleich eine Kirche mit weltweitem Rückhalt ist, die aber ihrem wahren Geliebten, Jesus Christus, und der biblischen Wahrheit untreu geworden ist. Dennoch sind noch Menschen in Babylon, die Gott „mein Volk“ nennt. Vor dem letzten Akt des Dramas ruft er sie heraus (18,4). Warum? Weil der Strom Euphrat austrocknen wird.
„Der sechste Engel goss seine Schale aus auf den großen Strom Euphrat; und sein Wasser vertrocknete.“ (Offenbarung 16,12; kursiv hinzugefügt) Das Buch Harmagedon aus der Finale-Serie und zahllose andere Theologen erklären das als buchstäbliches Austrocknen, damit Armeen aus Asien in der Schlacht von Harmagedon auf die Juden feuern können. Was trocknet nach der Bibel den Fluss denn aus? Die Türkei? Nein. „Der sechste Engel goss seine Schale aus auf den großen Strom Euphrat.“ Diese Schale ist eine der sieben „Schalen des Zornes Gottes“ (16,1). Gottes Zorn trocknet den Euphrat aus, nicht die Türkei! Und wie lässt sich das verstehen? Wenn die „Wasser“ Völker darstellen und die Zornesschale auf das Wasser ausgegossen wird, dann bedeutet das, dass Gottes Zorn die Völker trifft, die weiterhin treue Anhänger Babylons sind.
Wenn das Gericht des Himmels die wirbelnden Wasser der Völker trifft, die das Geheimnis Babylon unterstützen, werden sie die Wahrheit nicht länger leugnen können. Sie werden erkennen, dass sie verführt worden sind. Dann werden sie „die Hure hassen und sie verwüsten und entblößen, und sie werden ihr Fleisch verzehren und sie mit Feuer verbrennen“ (Offenbarung 17,16). Das falsche System wird jeden Rückhalt verlieren. So wird Babylon trocken gelegt und der Weg für die „Könige des Ostens“ vorbereitet (16,12).
Zur Zeit des Alten Testaments kam Kyrus aus „dem Osten“, um Babylon einzunehmen (Jesaja 44,26-28; 46,11). Er kam nicht, um die Juden anzugreifen, sondern zu befreien. Wie schon gesagt war Kyrus ein Sinnbild auf Jesus Christus, die „Sonne der Gerechtigkeit“ (Maleachi 3,20). In der Offenbarung kommen die Engel Gottes aus dem Osten (Offenbarung 7,2), und Jesus selbst sagte: „Denn wie der Blitz vom Osten ausfährt und bis zum Westen scheint, so wird auch die Wiederkunft des Menschensohnes sein.“ (Matthäus 24,27; kursiv hinzugefügt). Wie Kyrus aus dem Osten kam, um Israel aus der Gewalt des buchstäblichen Babylon zu retten, wird Jesus als König aus dem östlichen Himmel mit „den Heeren des Himmels“ (Offenbarung 19,14) kommen, um im Kampf von Harmagedon das geistliche Babylon zu unterwerfen und „das Israel Gottes“ (Israel 2) zu befreien.
Was ist Harmagedon?
Das Wort Harmagedon kommt in der Bibel überraschenderweise nur einmal vor, und zwar in Offenbarung 16,16: „Er versammelte sie an den Ort, der auf Hebräisch Harmagedon heißt.“ Auf der Erde gibt es gar keinen Ort mit diesen Namen! Nördlich von Jerusalem liegt das Tal „Megiddo“ (Richter 5,19). Dort fanden einst blutige Schlachten zwischen Israels Heer und den Armeen ausländischer Feinde statt. Weil „Megiddo“ so ähnlich wie „Harmagedon“ klingt, nehmen Millionen von Menschen an, dies sei der Ort der letztendlichen Auseinandersetzung mit den Juden. Zu Recht? In der Offenbarung ist Harmagedon der Höhepunkt, der abschließende Kampf. Handelt es sich dabei um einen militärischen Kampf im Mittleren Osten?
Wir müssen in unserer Auslegung konsequent bleiben. In der Offenbarung haben wir immer wieder Begriffe aus dem Mittleren Osten wie „die sieben goldenen Leuchter“ (1,20), „Isebel“ (2,20), „der Berg Zion“ (14,1), „Jerusalem“ (3,12), „der Tempel“ (11,19), „Sodom und Ägypten“ (11,8), „der Euphrat“ (16,12) und „Babylon“ (17,5) vorgefunden, die christozentrisch, himmlisch und geistlich verwendet werden. Wäre es sinnvoll, „Harmagedon“, eine Bezeichnung für das große Finale im wichtigsten Endzeitbuch aller Zeiten, plötzlich wörtlich als flammendes Hightech-Inferno zwischen Russen, Chinesen, Syrern und Juden an einem kleinen Ort im Mittleren Osten zu verstehen?
Die Antwort ist klar
Wir finden die Antwort im Kontext von Offenbarung 16,16. Auch wenn im Rahmen dieses Artikels nicht alle Einzelheiten diskutiert werden konnten – hier sind die wichtigsten Punkte:
- An dem Kampf sind „die Könige der Erde und des ganzen Erdkreises“ beteiligt (16,14) – die unmöglich alle in das Tal von Megiddo hineinpassen würden.
- Fokus der Offenbarung ist „der Tempel im Himmel“ (16,17) – kein angeblich bald wiedererrichteter jüdischer Tempel auf der Erde.
- Harmagedon hat globale Wirkung – und beschränkt sich beileibe nicht auf den Mittleren Osten (16,18-20).
- Harmagedon vernichtet zuallererst das geistliche „Babylon“ (16,19) – nicht Russland, China oder Syrien.
Alles in allem kann man also sagen: Harmagedon bezeichnet in der Offenbarung den letzten Kampf zwischen König Jesus mit seinen himmlischen Armeen (19,11-19) und den weltweiten Streitkräften Satans und „Babylons“. Jesu Wiederkunft ist die Niederlage des Teufels und das Ende seines Weltreichs. Jesus braucht gegen seine Feinde keine Atombomben, sondern nur sein „scharfes zweischneidiges Schwert“ (1,16; 19,15), ein Symbol für sein Wort der Wahrheit (Epheser 6,17). Wenn Christus aus dem Osten herabkommt, wird er „Israel“ aus der Macht „Babylons“ befreien. Aber welches Israel wird er befreien? Die Thematik des Buches zeigt, dass es „das Israel Gottes“ ist (Galater 6,16), dessen Mittelpunkt Christus und dessen Heimat das „Neue Jerusalem“ ist (Offenbarung 21,10).
Zusammenfassung
Der Mittlere Osten bleibt ein Pulverfass, die Vereinigten Staaten kämpfen weiter gegen radikale Muslime, und hier auf Erden ist dafür keine Lösung in Sicht. Angesichts dieser politischen Hochspannung glauben Millionen konservativer, politisch aktiver Israel und Harmagedon Christen in Amerika, dass Gott nicht nur persönlich hinter dem Staat Israel steht, sondern dass er im letzten Kampf von Harmagedon alle Feinde der Juden vernichten wird. Das ist die eindrucksvolle Botschaft des Buches Harmagedon: Die letzten Tage der Erde aus der Finale-Serie. Doch diese Lehre widerspricht dem Neuen Testament. Und sie richtet Schaden an, indem sie Öl in das bereits tobende israelisch-arabische Feuer gießt.
Ein sorgfältiges Studium der „Offenbarung Jesu Christi“ zeigt, dass die massive Gott-steht-hinter-Israel-Theologie der evangelischen Christenheit nicht richtig ist. Nicht dass Gott das moderne Israel und alle anderen jüdischen Menschen nicht lieben würde. Aber wie wir gesehen haben, geht es in der Offenbarung nicht um das „Israel nach dem Fleisch“ (Israel 1), sondern das „Israel Gottes“ (Israel 2), das aus Juden und Nichtjuden (einschließlich Arabern) besteht, die Christus zum Mittelpunkt haben. Wenn es je eine Zeit gab, wo wir nicht nur „im Geist“ leben, sondern auch „im Geist“ Prophetie auslegen müssen, dann heute. Wahren Frieden gibt es nur an einem Ort – für Juden, Palästinenser und Christen gleicherweise: am Fuß des Kreuzes, im Herzen jenes Mannes, der für die ganze Welt lebte und starb. Ihm wollen wir unser Leben weihen und so ein Teil seines Israels werden.
Steve Wohlberg, „Israel und Harmagedon“, Standpunkte (Ausg. 8, 2006), S. 63-69