Katholische Kirche: Missbrauch ohne Ende?
Die katholische Kirche kämpft um ihr Image. Immer neue Meldungen über weitflächigen sexuellen Missbrauch in katholischen Einrichtungen oder durch Einzelpersonen dringen an die Öffentlichkeit.
Teilweise liegen die Vergehen Jahrzehnte zurück wie im 2010 bekannt gewordenen Fall der Regensburger Domspatzen, einem weltbekannten Knabenchor, der damals überwiegend von Georg Ratzinger, dem Bruder des emeritierten Papstes Benedikt XVI., geleitet wurde. Der Abschlussbericht des Opferanwalts Ulrich Weber vom Juli 2017 kommt zu dem Ergebnis, dass in den Jahren von 1953 bis 1992 rund 550 Kinder Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt geworden sind.
Leider geht es aber nicht nur um die Vergangenheit. Hier exemplarisch einige Fälle aus Deutschland: 2009 wurde einem katholischen Vikar aus dem Erzbistum Paderborn vorgeworfen, in mehr als 100 Fällen Kinderpornos gesammelt und verbreitet zu haben. Der 31-Jährige gestand seine Schuld weitestgehend ein. 2014 erging Strafbefehl gegen einen katholischen Pfarrer im Ostalbkreis, auf dessen Computer kinderpornografisches Material gefunden worden war. Und erst im Sommer 2017 wurde ein pädophiler Pfarrer aus dem Bistum Magdeburg zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, der über 30.000 kinderpornografische Bilder und knapp 300 Videos besessen hatte.
Höchste Würdenträger
Der illegale Umgang mit der Sexualität betrifft keineswegs nur die Basis; er reicht bis in höchste klerikale Kreise. Die amerikanische Website BishopAccountability.org, die sich zum Ziel gesetzt hat, „die Missbrauchskrise in der römisch-katholischen Kirche zu dokumentieren“, listet 60 Bischöfe weltweit auf, die in den letzten Jahrzehnten öffentlich sexueller Vergehen mit Minderjährigen beschuldigt worden sind, und ergänzt, dass allein in den letzten 15 Jahren Hunderte von Bischöfen und katholischen Leitungspersonen in Nachrichten oder vor Gericht der Komplizenschaft beim Kindesmissbrauch bezichtigt worden sind.
Aufsehen erregte 2014 der Fall von Erzbischof und Vatikandiplomat Josef Wesolowski, dem in der Dominikanischen Republik Missbrauch minderjähriger Jungen vorgeworfen wurde und auf dessen Computer sich über 100.000 kinderpornografische Dateien fanden. Im Juli 2015 wurde im Vatikan der Prozess gegen ihn eröffnet, doch zwei Monate später verstarb Wesolowski mit 67 Jahren plötzlich. Ergebnis der offiziellen Autopsie: natürlicher Tod durch Herzstillstand. Es wäre das erste Strafverfahren im Vatikan wegen sexuellen Missbrauchs gegen einen ranghohen Geistlichen gewesen.
Wesolowskis Fall wird ungelöst bleiben, doch andere werden gerade verhandelt. Bereits 2008 hatten Opfer dem australischen Kurienkardinal George Pell vorgeworfen, er habe in den 1970er- und 80er-Jahren sexuelle Missbrauchsfälle vertuscht und Täter gedeckt. 2013 setzte die Premierministerin eine allgemeine australische Missbrauchskommission ein. In einer Befragung 2016 beteuerte Pell seine Unwissenheit und sah die Verantwortung für den Skandal bei Vorgesetzten und Mitarbeitern. Doch es kam noch schlimmer für den 76-Jährigen. Seit Mitte 2017 läuft gegen den heutigen Vatikan-Finanzchef ein Ermittlungsverfahren, weil er inzwischen selbst unter Verdacht steht, zwischen 1978 und 2001 mehrere Jungen sexuell missbraucht zu haben. Bei der ersten Gerichtsanhörung im Juli 2017 in Melbourne bestritt der Kardinal alle Vorwürfe. Pell ist einer der wichtigsten Berater von Papst Franziskus und der höchste katholische Prälat, der je wegen sexuellen Kindesmissbrauchs vor Gericht gestellt worden ist.
Gleichzeitig werden neue Fälle bekannt. Erst vor einigen Wochen wurde dem Vatikan vom US-Außenministerium mitgeteilt, dass einer ihrer Diplomaten in Washington möglicherweise mit illegalen pornografischen Kinderbildern zu tun habe. Die USA beantragten die Aufhebung seiner diplomatischen Immunität, um ein Verfahren einleiten zu können, doch obwohl Papst Franziskus zugesagt hat, in Missbrauchsfällen konsequent durchzugreifen, lehnte Rom ab und ließ den Botschafter in den Vatikan zurückfliegen.
Schwulenlobby im Vatikan?
Ein anderes Problemfeld betrifft schwule Geistliche innerhalb der Kirche. Schon länger kursieren Berichte, im Vatikan existiere eine starke Seilschaft Homosexueller. Manche mutmaßen gar, Benedikts Rücktritt Anfang 2013 habe mit dieser mächtigen Lobby zu tun. Die Existenz eines solchen Zirkels erhärtete sich durch die versehentliche Veröffentlichung vertraulicher Anmerkungen des Papstes vor Ordensleuten im Juni 2013, wonach Franziskus gesagt hat: „Es ist die Rede von einer Gay-Lobby, und es ist wahr, sie ist da … Wir müssen sehen, was wir tun können.“
Der langjährige, ehemalige Schweizer-Garde-Kommandant Elmar Mäder meinte im Januar 2014 in der Schweiz am Sonntag: „Meine Erfahrungen sprechen für die Existenz eines solchen [Netzwerks].“ Ein Umfeld, in dem vor allem unverheiratete Männer arbeiteten, sei „per se ein Anziehungspunkt für Homosexuelle“. Nur zwei Wochen zuvor hatte ein junger Schweizer Gardist derselben Zeitung anonym anvertraut, die Schutztruppe des Vatikan sei ein bevorzugtes Ziel der Schwulenlobby, und er habe während seiner Dienstjahre von rund 20 Würdenträgern unzweideutige Angebote bekommen, darunter Priester, Bischöfe und Kardinäle. Sein Fazit: „Der Vatikan ist ein Paradies für Schwule.“
Aber auch abseits von möglichen kirchenpolitischen Machtkämpfen in Rom ist offenkundig, dass innerhalb des katholischen Klerus ein ausgeprägter homosexueller Hang besteht. Ein seit 2014 laufendes, von der Deutschen Bischofskonferenz beauftragtes Forschungsprojekt des Psychiaters Harald Dreßing und des Kriminologen Dieter Dölling zeigt, dass rund 80 % aller Missbrauchsopfer in der römischen Kirche männlich sind, also Jungen. Den erwachsenen Tätern bescheinigen sie u. a. Unreife, eine gestörte Persönlichkeit und Pädophilie.
Zu welchen Auswüchsen die homosexuelle Prägung innerhalb der Kirche führen kann, berichtete vor einigen Monaten die italienische Zeitung Il Fatto Quotidiano – nur eine Woche, nachdem die offizielle Anklage gegen Kardinal George Pell bekannt geworden war. Anwohner eines Apartments nahe dem Vatikan hatten die Polizei verständigt, nachdem ihnen das eigenartige Verhalten von Personen aufgefallen war, die in die Wohnung hinein- und herausströmten. Als die Beamten die Räume betraten, fanden sie eine Gruppe von Männern vor, die exzessiv Drogen konsumierten und damit beschäftigt waren, was eine Schwulen-Sexparty eben ausmacht. Das Delikate: Der (anwesende) Mieter des Apartments war ein Sekretär von Kardinal Francesco Coccopalmerio, einem Topberater von Papst Franziskus. Der Kardinal hatte seinen Mitarbeiter sogar für die Beförderung zum Bischof empfohlen – woraus nach dessen polizeilicher „Beförderung“ in eine Klinik zwecks Entgiftung wohl nichts werden dürfte. Darüber hinaus gehört die Wohnung der Kongregation für die Glaubenslehre – gerade jener päpstlichen Behörde, deren Aufgabe es ist, den sexuellen Missbrauch im katholischen Klerus zu bekämpfen.
Fehler im System
Es ist eine erschreckende Liste von immer wieder ähnlichen Vorfällen sexueller Entgleisungen und Straftaten innerhalb der katholischen Kirche. Die nicht enden wollende Tragik muss konsequent aufgearbeitet werden – nicht um unbeteiligte und aufrichtig katholisch Gläubige zu verunglimpfen, sondern vor allem um der Sicherheit unserer Kinder und Jugendlichen willen. Die wesentliche Frage lautet: Liegt hier ein grundlegender, ursächlicher Systemfehler im Katholizismus vor?
Eine jüngst veröffentlichte Studie der australischen RMIT-Universität in Melbourne sagt Ja. Die Wissenschaftler Peter Wilkinson und Desmond Cahil, beide ehemalige katholische Priester, haben sich auf 384 Seiten mit sexuellem Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche beschäftigt, von den Anfängen der Kirchengeschichte bis in die Gegenwart. Neben Literatur wurden die Ergebnisse von Untersuchungskommissionen, Ermittlungsverfahren und wissenschaftlichen Studien ausgewertet. Radio Vatikan schreibt über den Bericht der Forscher:
Zwei Gründe für sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche sehen die beiden Autoren … im Zölibat und der großen Zahl der von der Kirche betriebenen Waisenhäuser. „Kinder (…) in Bildungs- und Wohlfahrtseinrichtungen sind einem Risiko ausgesetzt, wenn psychosexuell unreife und/oder sexuell benachteiligte zölibatär Lebende, einschließlich Priester und Ordensleute, zu ihnen Zugang haben“, heißt es in dem Bericht.
Weltweit betreibt die römisch-katholische Kirche fast 10.000 solcher Einrichtungen. Doch ist dies wirklich der richtige Ort für Mädchen und Jungen in einem besonders sensiblen und schutzbedürftigen Alter? Wann wird der sexuelle Missbrauch endlich aufhören? Wann ziehen Staat und Gesellschaft die Konsequenzen aus offensichtlichen Zusammenhängen?
Eine unbiblische Ordnung
In der Heiligen Schrift ist die Ehe ein Geschenk aus dem Paradies. Gott selbst stellte bei der Schöpfung fest: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“ (1. Mose 2,18), und stellte Adam eine Frau an die Seite. Die Bibel warnt vor Irrlehrern, die „gebieten, nicht zu heiraten“ (1. Timotheus 4,3). Solange die römisch-katholische Kirche dieses biblische Prinzip missachtet, wird es unter Kindern und Jugendlichen weiterhin zahllose unschuldige Opfer sexuellen Missbrauchs geben – mit dem ganzen namenlosen, oft lebenslangen Leid, das ihm folgt.