Das zwiespältige Erbe Billy Grahams
Man nannte ihn „das Maschinengewehr Gottes“, und einer seiner häufigsten Sätze war: „Die Bibel sagt“. Es handelt sich um den weltbekannten amerikanischen Evangelisten Billy Graham. Am 21. Februar 2018 starb er im Alter von 99 Jahren. In seinem rund 70 Jahre währenden Verkündigungsdienst erreichte der Baptistenprediger allein bei seinen Evangelisationen über 200 Millionen Menschen in 185 Ländern. Häufig füllte er ganze Stadien mit Zuhörern. Daneben war er Seelsorger und Begleiter vieler US-Präsidenten, von Harry S. Truman bis Barack Obama.
Zahlreiche Prominente aus Politik und Kirche würdigten Billy Grahams Verdienste. Der einflussreiche Megakirchen-Pastor Rick Warren nannte ihn „mein Held und Vorbild“; Erzbischof Justin Welby, Oberhaupt der Anglikaner, meinte: „Die globale Kirche schuldet ihm unermesslich viel“; und für Russell Moore von den Südbaptisten war er der „wichtigste Evangelist nach dem Apostel Paulus“. Ähnlich äußerte sich die Weltweite Evangelische Allianz (WEA), für die Graham „die Stimme der Evangelikalen“ war sowie „ein Werkzeug für das Wachstum“ ihrer Bewegung von 90 Millionen Christen Anfang der 1960er-Jahre auf gegenwärtig 600 Millionen.
Präsident Donald Trump sagte über Grahams Wirken: „Es veränderte unser Land und die Welt.“ Auch seine Vorgänger Barack Obama, Bill Clinton und George Bush Jr. äußerten sich anerkennend über den Evangelisten. Graham wurde als erst viertem Zivilisten in der US-Geschichte die Ehre zuteil, für einige Tage im Rundbau des Kapitols aufgebahrt zu werden.
Die Zahlen und Zeugnisse sind beeindruckend, und wohl niemand wollte bestreiten, dass durch Grahams packende Predigten auf dem ganzen Erdball Menschen zu Christus gefunden haben oder in ihrem Glauben gestärkt worden sind. Dennoch stößt, wer Billy Grahams Biografie genauer betrachtet, auf irritierende, ja, teils verstörende Einzelheiten. Wer war der Mann, der nun von allen Seiten höchste Anerkennung erhält?
Da ist zum Beispiel der Umstand, dass es 1949 eine massive Medienkampagne des amerikanischen Zeitungsgiganten William Randolph Hearst war, die aus Graham fast über Nacht einen Massenprediger machte, der vor Zigtausenden Menschen sprach. Über Hearst ist zu lesen, dass er zum katholischen Ritterorden der Malteser gehörte, deren Ziel „die Errichtung einer neuen Weltordnung unter päpstlicher Führung“ ist (William Cooper, Behold a Pale Horse, 86). Was motivierte ihn dazu, einen obskuren, bis dahin wenig erfolgreichen und dazu noch protestantischen Evangelisten groß herauszubringen?
Ein Jahr zuvor hatte Billy Graham den römischen Katholizismus noch zu den drei größten Bedrohungen für das wahre Christentum gezählt. Das sollte sich grundlegend ändern. 1954 hatte es der damals 35-Jährige bereits auf die Titelseite des katholischen TIME Magazine geschafft. 1957 schilderte er der San Francisco News seine Vorgehensweise mit Neubekehrten:
Jeder, der auf unseren Veranstaltungen eine Entscheidung trifft, wird später angesprochen und an einen protestantischen, katholischen oder jüdischen Geistlichen vor Ort verwiesen.
Zehn Jahre später (1967) wurde Graham ausgerechnet vom jesuitischen Belmont Abbey College ein Ehrendoktor verliehen. Bei dieser Gelegenheit stellte er fest:
Das Evangelium, das diese Schule errichtet hat, und das Evangelium, das mich heute Abend hierherführt, ist noch immer der Weg zum Heil.
Zu einer Zeit, als die Öffnung der Papstkirche durch das Zweite Vatikanische Konzil erst fünf Jahre her war und die ökumenische Bewegung noch in den Kinderschuhen steckte, sah „Amerikas Prediger“, wie er später genannt wurde, offenbar keinen Unterschied zwischen evangelischem und katholischem Erlösungsweg. Statt wie einst Luther gegen päpstliche Irrlehren zu protestieren, beschränkte er sein Wirken auf die unanstößigen Gemeinsamkeiten.
Entsprechend deutlich wuchs unter dem katholischen Klerus der Zuspruch für Grahams Kampagnen. An einer Vortragsreihe 1973 in Minnesota nahmen nur einige lutherische Gemeinden und keine einzige katholische teil, doch rund ein Vierteljahrhundert später (1996) lag die Beteiligung am gleichen Ort bei 269 lutherischen Gemeinden und 119 katholischen Pfarreien. Der Priester Charles Bowes nannte Grahams Mission eine „goldene Gelegenheit, Katholiken zu evangelisieren und unseren Pfarrbezirk zu unterstützen“ (The Catholic Telegraph, 10.5.2002). Der britischen BBC konnte Graham auf die Frage, ob er der katholischen Kirche heute entspannter begegne, antworten:
Nein, die katholische Kirche begegnet mir entspannter. (Interview vom 6.7.1989)
Grahams Verhältnis zum Papst entsprach ganz seiner theologischen Toleranz. Fünf Mal besuchte er den Vatikan, einmal sogar eine ganze Woche lang, berichtet der protestantische Buchautor Dave Hunt. 1979 äußerte sich Graham über den ein halbes Jahr zuvor gewählten Papst:
Ich bin überzeugt, dass Papst Johannes Paul II. der am meisten respektierte Papst des Jahrhunderts und der moralische Führer der Welt sein wird. (National Enquirer, 8.3.1979)
Grahams Sohn und Nachfolger Franklin Graham beschrieb 1999 rückblickend, welches Signal Billy Graham innerhalb des Protestantismus gab:
In den Anfangsjahren stellte sich die katholische Kirche in Boston hinter die Evangelisationen meines Vaters. Das war ein Novum. Viele Protestanten gingen dabei nicht mit. Sie kamen nicht klar damit. Aber es setzte ein Zeichen. „Wenn Billy Graham bereit ist, mit jedem zusammenzuarbeiten, dann sollten wir das vielleicht auch.“ (The Indianapolis Star, 3.6.1999)
Es ist diese schrankenlose Offenheit und ihre Wirkung auf den weltweiten Protestantismus, die den baptistischen Verleger David W. Cloud zu dem ernüchternden Fazit führt:
Für das pragmatische Ziel, mehr Publikum zu erreichen, ging Graham endlose Kompromisse ein. Die „ökumenische Evangelisation“, die so viel dazu beigetragen hat, eine abgefallene „Weltkirche“ aufzubauen, ist zu großen Teilen seine Erfindung … Niemand hat in dieser Generation mehr dafür getan, die römisch-katholische Kirche für „Evangelikale“ annehmbar zu machen, als Billy Graham … (Billy Graham’s Sad Disobedience, S. 5, 11)
Billy Grahams ökumenische Arme waren nicht nur für die Papstkirche offen. Der Zeitung U.S. News & World Report verriet der Evangelist:
Die Welt zu bereisen und Geistliche aus allen Kirchen kennenzulernen, hat dazu beigetragen, aus mir einen Ökumeniker zu machen. Wir sind durch Theologie und teilweise auch Kultur und Rasse getrennt, doch all das ist für mich heute bedeutungslos. (19.12.1988)
Als erster evangelischer Christ nahm Graham 1982 den hochdotierten Templeton-Preis entgegen. Der Gründer der Auszeichung, Sir John Templeton, war formal Presbyter; tatsächlich aber kämpfte er gegen christliche Orthodoxie und für eine neue, „progressive“ Spiritualität und New-Age-Pantheismus. Zu den Preisträgern vor Graham zählten auch Vertreter aus Buddhismus und Hinduismus. Angesichts dieser Vielfalt möchte man mit Paulus fragen: „Wie stimmt der Tempel Gottes mit Götzenbildern überein?“ (2. Korinther 6,16)
1989 wurde Graham als erster Geistlicher überhaupt mit dem Stern Nr. 1900 auf Hollywoods Walk of Fame geehrt. Hat Amerikas Traumfabrik wirklich Interesse an der Verkündigung des Evangeliums? Jesus hat gewarnt: „Wehe, wenn alle Menschen gut von euch reden.“ (Lukas 6,26)
Ungeachtet aller Errungenschaften hinterlässt Billy Graham, der beliebteste Prediger des 20. Jahrhunderts, ein zwiespältiges Erbe. Es erinnert an die biblische Mahnung, alles am Wort Gottes zu prüfen – zumal die Offenbarung in Kapitel 13 gerade die USA als Ausgangspunkt einer falschen Erweckung in der Endzeit beschreibt und als „falschen Propheten“ (Offenbarung 19,20) bezeichnet. Mehr als je zuvor gilt daher Jesu Wort: „Habt acht, dass euch niemand verführt!“ (Matthäus 24,4)
Author:
- Johannes Kolletzki
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