Feinde im gelobten Land
Wieder einmal sind die Augen der Welt in den Nahen Osten, genauer gesagt, nach Israel gerichtet. Waren es über Jahre hinweg die Kämpfe zwischen den Palästinensern und Israelis, die immer wieder für Blutvergießen und Aufsehen sorgten, findet der Kampf diesmal im Inneren des Landes statt.
„Israel nähert sich seinem Corona-Impfziel immer stärker an. Eine 34 Jahre alte, schwangere Frau erhielt am Montag in Tel Aviv die fünfmillionste Erstimpfung“, berichtete jüngst die Jüdische Allgemeine. Israel mit seinen etwa 9,3 Millionen Einwohnern hatte die Impfkampagne kurz vor Weihnachten 2020 begonnen. Die Regierung hat das Ziel, mindestens 6,2 Millionen Menschen zu impfen. „Rund ein Drittel der Bevölkerung ist jünger als 16 Jahre, diese Gruppe kann bislang nicht geimpft werden.“ Allerdings rechnet Netanjahu damit, dass bald auch Kinder geimpft würden; die Durchimpfungsrate würde in diesem Fall noch einmal deutlich ansteigen.
Um diesem Ziel näherzukommen, hat Israel bisher umgerechnet rund 660 Millionen Euro für Impfstoff gegen das Coronavirus ausgegeben. In Berufung auf ynet, welche zu den populärsten Internetportals Israels gehört, berichtete der Spiegel, dass insgesamt 15 Millionen Impfdosen gekauft worden seien. Innerhalb kurzer Zeit wurde Israel so das Land mit der weltweit höchsten Durchimpfungsrate pro 100.000 Einwohner.
Dabei setzt Israel bisher fast ausschließlich auf das Biontech/Pfizer-Präparat. Die Zahlung von 44 Euro pro Dosis ist deutlich höher als die Investitionen der europäischen Länder. Diese bisher geheim gehaltenen Preise waren von der belgischen Staatssekretärin Eva De Bleeker zeitweise auf Twitter veröffentlicht worden, wonach eine Dosis des Moderna-Impfstoffs umgerechnet rund 15 Euro, dagegen eine von Biontech/Pfizer 12 Euro kosten solle. „Der Tweet wurde später gelöscht.“
Israel bezahlt allerdings nicht nur monetär, sondern auch mit den Daten seiner Bürger. Denn die israelische Regierung vereinbarte mit den Impfstoffherstellern, „dass Israel wöchentlich Daten aus der Impfkampagne an Pfizer liefert. Dazu gehören Infektions- und Impfzahlen, aber auch die demografischen Angaben der Patienten, wie zum Beispiel das Alter und Geschlecht. Die Daten werden laut israelischen Behörden anonymisiert zu Pfizer geschickt. So erhalten die Pharmakonzerne dank des digitalisierten Gesundheitssystems in Israel nicht nur sehr schnell und verlässlich Daten, sie bekommen vor allem viel mehr Daten, als sie dies aus jeder Studie erhalten würden. Es ist für die Pharmakonzerne ein Quell an Informationen von unschätzbarem Wert. Im Gegenzug verpflichten sich die Impfstoffhersteller, Israel so lange mit Impfstoff zu versorgen, bis im Land eine Herdenimmunität, also eine Immunität von 95 Prozent der Bevölkerung, erreicht ist.“
Doch auch innerhalb des Landes werden Daten gesammelt. So hat laut FAZ die Knesset ein Gesetz verabschiedet, „das die digitale Überwachung von israelischen Bürgern erlaubt, die nach Israel zurückkehren und sich deshalb zunächst in häusliche Quarantäne begeben müssen. Die entsprechende Überwachung kann über Mobiltelefone oder über ein mit einem digitalen Sender versehenes Gelenkband erfolgen.“ Dies betreffe alle Menschen, die nicht geimpft seien bzw. keinen Nachweis einer überstandenen Coronaerkrankung hätten.
„Kein Kino ohne Impfpass“, schreibt der Tagesspiegel. „Israelischen Bürgern, die sich nicht gegen Covid-19 impfen lassen, drohen demnächst etliche Nachteile im Alltag. Im Kampf gegen die Pandemie erhöht die Regierung den Druck auf Impfmuffel: Zwar sollen demnächst Kinos, Theater, Hotels und Fitnessstudios wieder öffnen – Zutritt erhalten sollen jedoch nur jene, die eine Immunisierung gegen das Virus nachweisen können. Für manche Berufsgruppen könnte die Spritze sogar zur Pflicht werden.“ Die entsprechenden Gesetze seien in Vorbereitung. Auch „immer mehr israelische Unternehmen und Einrichtungen planen Sanktionen gegen Mitarbeiter, die sich nicht gegen das Coronavirus impfen lassen wollen“, berichtet RND.
Es wird also ungemütlich in Israel für Menschen, die sich gegen eine Impfung entscheiden. Die bekannte israelische Tageszeitung Haaretz schreibt: „Netanjahu bezeichnet ungeimpfte Israelis als Feind“. Die Offenlegung der Namen von Israelis, die noch nicht geimpft seien, ebne den Weg für eine schwere Verletzung der Privatsphäre. Es sei schwierig, den Vorschlag von Premierminister Benjamin Netanjahu zu verstehen, ein Gesetz durchzupeitschen, das es den lokalen Behörden erlaube, die Namen aller ungeimpften Menschen zu erhalten, um sie unter Druck zu setzen, sich impfen zu lassen.
Der gleiche Umgang mit Impfgegnern wird übrigens auch in Spanien gepflegt. Gemäß Bayrischem Rundfunk werde Spanien „alle Bürger, die sich nicht gegen Corona impfen lassen wollen, in einem Register erfassen. Das kündigte Gesundheitsminister Salvador Illa in einem Interview mit dem Fernsehsender La Sexta an. Jeder Bürger werde entsprechend des Impfplanes eine Einladung zu einem Impftermin erhalten. Die Impfung sei zwar freiwillig, aber wer der Einladung nicht folge, werde registriert. Das Register sei nicht öffentlich und der Datenschutz werde rigoros sein, aber die Daten würden ,europäischen Partnern’ zur Verfügung gestellt, betonte der Minister. Er betonte erneut, dass keine Impfpflicht in dem südeuropäischen Land eingeführt werde.“
Dies erinnert an die Aussage Walter Ulbrichts vom 15. Juni 1961: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“ Ein Statement, welches von der Bundesregierung wie folgt kommentiert wird: „Zwei Monate später ist die Berliner Mauer gebaut – und Ulbricht steht als einer der größten Lügner der Geschichte da. Was Ulbricht zu dem Satz verleitet hat, weiß bis heute niemand.“
Auch heute weiß niemand, was Politiker dazu bewegt, zu versichern, dass es eine Impfpflicht nicht geben werde, während sie bereits sukzessive eingeführt wird. Vor kurzem waren Österreichs Kanzler Kurz und seine dänische Amtskollegin Frederiksen bei Israels Premier Netanjahu. Thema: Eine Impfallianz. „Man sei durchaus ,daran interessiert, von Österreich, Dänemark und Israel zu lernen’“, erklärte ein Kommissionssprecher der EU, wie der Spiegel berichtete.
Haaretz gibt zu bedenken: „In der Tat gehen Regierungen selten einen Schritt vor und einen zurück, wenn sie anfangen, die verfassungsmäßigen Rechte mit Füßen zu treten. Es ist nicht nur sehr schwer für das betreffende Recht, den verlorenen Boden wiederzugewinnen, sondern, was noch schlimmer ist, jeder solche Rückzug ebnet den Weg für eine weitere Verletzung dieses Rechts, da es seinen früheren Status nicht mehr genießt, weil es bereits geschwächt wurde.“
st