„Fratelli Tutti“ – mit Papst Franziskus und dem Islam zur Weltregierung
„Fratelli Tutti“, „Allesamt Brüder“ – so lautet der Titel der neu erschienenen Sozialenzyklika von Papst Franziskus über „die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft“. Im Hintergrund des Dokuments steht die Corona-Pandemie, die – so die Formulierung des Papstes – „unerwartet ausbrach, als ich dieses Schreiben verfasste“. Die globale Gesundheitskrise habe abermals offengelegt, dass niemand allein überleben könne und damit die Zeit gekommen sei, „von einer einzigen Menschheit zu träumen“, in der wir „alle Geschwister“ sind.
Franziskus äußert sich in der Enzyklika zu diversen welt- und friedenspolitischen Themen. Auf der Deutschen Bischofskonferenz würdigt deren Vorsitzender Bischof Dr. Georg Bätzing sie als einen „eindringlichen Appell für weltweite Solidarität und internationale Zusammenarbeit“.
Besonders im Migrationsbereich wiederholt Franziskus seine Appelle zu einer offenen Willkommenskultur. Er fordert die Schaffung einer global governance, die für die Weltgemeinschaft eine „globale Ethik der Solidarität und Zusammenarbeit“ durchsetzt.
Weltweite Einheit müsse nach dem Geschmack des vatikanischen Stuhls nicht nur in der Migrations-, sondern auch in der Klima- und der Wirtschaftspolitik angestrebt werden. Das Recht auf Privateigentum sei nur sekundär und unbedingt dem Allgemeinwohl unterzuordnen. So gehöre der Privatbesitz nicht etwa Gott, sondern der Weltgemeinschaft, die Entscheidungsgewalt über die Anerkennung, Verschiebung oder Veräußerung des Eigentums erlangen müsse.
Wirklich neu ist Fratelli Tutti jedoch weder in seiner Kapitalismuskritik noch in seinen Appellen zur Flüchtlingsaufnahme. Viel bemerkenswerter ist ein interreligiöses Novum: Mit dem ägyptischen Großimam Ahmad al-Tayyib nennt ein Papst zum ersten Mal in der Historie einen führenden Vertreter einer fremden Religion als Inspirationsquelle für seine Enzyklika. Bischof Bätzing betont, wie wichtig dem Vatikan der Dialog mit den Nationen und Gesellschaften, vor allem aber die Aussprache mit anderen Religionen sei.
Das Schreiben könnte so manchen gläubigen Katholiken enttäuschen, besticht es doch nicht selten mit religiösem Indifferentismus, in dem Glaubensfragen bedeutungslos werden. In diesem Sinne mag es kaum überraschen, dass die Enzyklika ausgerechnet mit einem Zitat aus dem „Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen“ schließt, das Franziskus im Februar 2019 gemeinsam mit Ahmad al-Tayyib unterzeichnet hat.
Fratelli Tutti könnte einen weiteren Meilenstein zur Formung einer internationalen und interreligiösen Weltpolitik bilden. Das zumindest ist die offene Forderung der Enzyklika. Doch wer übernimmt die Verantwortung in einer vereinheitlichten Weltgemeinschaft? „Die Kirche steht in der Pflicht“, so fasst Bätzing das Anliegen des Papstes zusammen, „sich in gesellschaftliche und politische Diskussionen und Entscheidungsprozesse einzubringen.“
Was passiert tatsächlich im Machtgefüge des Vatikan und wie geht es weiter? Ist es nur der Mund- und Nasenschutz, oder welche Maske trägt Papst Franziskus wirklich? Antworten könnte die nahe Zukunft liefern, wenn die päpstlichen Ideen an Gestalt gewinnen.