„Kinderrechte“ entmachten die Eltern
Es klingt nach einer durch und durch sinnvollen Amtshandlung: Die Bundesregierung will so genannte Kinderrechte im Grundgesetz verankern. Noch vor Jahresende soll ein entsprechender Gesetzesentwurf aus dem Justizministerium vorgelegt werden. Wer könnte dagegen sein, dass die Rechte unserer Kinder gewahrt werden? Was sich im ersten Moment nach einer angebrachten, ja notwendigen Reform anhört, birgt in Wirklichkeit eine große Gefahr für das Erziehungsrecht der Eltern – und kehrt sich am Ende gar zum Nachteil der Kinder.
Das politische Vorhaben der Regierung suggeriert, dass Kinder durch das Grundgesetz nicht ausreichend geschützt wären. Doch das ist bereits der erste Trugschluss. Tatsächlich weist das Grundgesetz gar keine derartige Lücke auf: Kinder sind nicht nur Träger aller Grundrechte wie auch jeder andere Mensch, auch gilt schon seit 1992 der Vorrang des Kinderwohls in allen Gesetzgebungsverfahren. Kinderrechte sind durch die UN-Kinderrechtskonvention abgedeckt, die auch in Deutschland als Bundesgesetz verabschiedet wurde. Der Schutz der Rechte der Kinder ist schon heute eine grundgesetzlich verbürgte Pflichtaufgabe des Staates.
Zwangsläufig stellt sich die Frage, warum all dieser Aufwand betrieben wird, um Kinderrechte in der Verfassung zu verankern. Ein Blick in die ersten Entwürfe führt zu der verblüffenden Erkenntnis, dass Eltern und Familie in keiner der vorgelegten Formulierungen auftauchen. Es besteht die Gefahr, dass die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz gleichzeitig das Erziehungsrecht der Eltern aushebeln würde.
Bereits 2013 wurde in einer juristischen Stellungnahme namhafter Professoren Skepsis gegenüber einer solchen Verfassungsreform geäußert: Nicht nur würden die geplanten Neuerungen das Elternrecht schwächen, sondern auch den staatlichen Einfluss gegenüber Eltern stärken und das ausgewogene Verhältnis zwischen den Rechten des Kindes, der Eltern und des Staates stören.
Trotz gewichtiger Gegenargumente scheint die Gesetzesreform bald politische Realität zu werden. Und das, obwohl man sich erst Anfang November im Gutachten des Bundesarbeitskreises Christlich-Demokratischer Juristen ausdrücklich gegen die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz positionierte. Die Gutachter warnen:
„Die Positivierung von Kinderrechten wird in vorhersehbarer Weise dazu führen, das Elternrecht zugunsten des staatlichen Bestimmungsrechts zurückzudrängen. […] Neu positivierte Kinderrechte haben das Potential, unter Berufung auf ihren Schutz Entscheidungsbefugnisse, die bisher den Eltern vorbehalten sind, auf den Staat zu verlagern.“
Die Problematik ist offensichtlich: Die Erweiterung des Grundgesetzes birgt die Gefahr, das natürliche Elternrecht zu schwächen, indem sie staatlichen Behörden erlaubt, sich an Stelle der Eltern zum Vertreter der Kindesinteressen zu erheben. In einem derartigen Gesetzesgefüge legt der Staat fest, was gut für das Kind ist, und wird im Zweifel gegen den elterlichen Willen in die Erziehung und in das Familienleben eingreifen.
Das Bundesverfassungsgericht geht jedoch davon aus, dass in aller Regel den Eltern das Wohl des Kindes mehr am Herzen liegt als irgendeiner anderen Person oder Institution. Dementsprechend schadet es dem Wohl der Kinder, wenn die Vormundschaft in Erziehungsfragen von den Eltern auf den Staat übertragen wird. Eine derartige Gefährdung des Elternrechts wäre schlussendlich zum Nachteil für die Kinder selbst. Das elterliche Erziehungsrecht ist ein hohes Gut, und dieses gilt es zu schützen.