Papst - Ehrenoberhaupt aller Kirchen?

Unisono und mit teils identischem Wortlaut verkündeten zeitgleich am 13. Juni 2024 die verschiedensten Medien eine Neuigkeit, die es in sich hat. Von der FAZ über den ORF bis zu bedeutenden katholischen und evangelischen Nachrichtenseiten beherrschte ein Thema die Schlagzeilen: „Vatikan macht Vorschläge für ein Papstamt für alle Kirchen“. „Ein Papst für alle Christen“, titeln FAZ und ZDF. In den Fokus gerückt werden soll die Rolle des Papstes als „Diener der Einheit“ mehr als die Möglichkeit des Papstes, „ex cathedra“ unfehlbare Lehrsätze von sich zu geben.

flickr.com, Catholic Church England and Wales

Störfaktoren

Primatsanspruch und Unfehlbarkeit gelten als einer der ganz großen Störfaktoren zwischen dem Vatikan und der übrigen christlichen Welt. Alt-katholisch.de schreibt zu dieser Entwicklung:

„Als nämlich 1870 in Rom beim Ersten Vatikanischen Konzil zum Glaubenssatz (Dogma) erhoben wurde, dass der Papst die oberste rechtliche Gewalt in der Kirche habe (Universaljurisdiktion) und in Fragen des Glaubens und der Sitte unfehlbare Entscheidungen treffen könne (Unfehlbarkeit), lehnten viele Katholiken diese Lehren als weder durch die Bibel noch durch die katholische Tradition begründbare Neuerungen ab.“

Infolgedessen entstanden die Altkatholiken, die – ebenso wie Evangelische, Anglikaner und Orthodoxe auch – das Primat des Papstes ablehnen. Im Jahr 1950 hat Pius XII. von seinem Recht Gebrauch gemacht, „ex cathedra“ zu reden, in dem er die leibliche Aufnahme der Gottesmutter Maria in den Himmel als „unfehlbares Dogma“ verkündete. Ein weiterer Störfaktor in Sachen Ökumene ist der Primatsanspruch des Papsttums. Denn seit dem „dritten Jahrhundert beansprucht das Papsttum für sich den Vorrang unter den Bischöfen und Patriarchen der Kirche“, bemerkt der ORF: Unter den fünf Patriarchaten der alten Kirche würde der in Rom ansässige Patriarch des Westens den Ehrenvorsitz als „Erster (primus) unter Gleichen“ einnehmen. Und Papst Gregor VII. bekräftigt 1075:

„Sein Urteil darf von niemandem verändert werden, und nur er kann die Urteile aller abändern.“

Papst selbst ist größtes Hindernis für Ökumene

ZDF zitiert Papst Paul VI. 1967 mit dem Ausspruch „‚Der Papst ist das größte Hindernis in der Ökumene.‘“ 1995 hatte deshalb Papst Johannes Paul II. in seiner Ökumene Enzyklika „Ut unum sint“ aufgefordert, „über eine Neuausrichtung des Papstamts nachzudenken.“ Das nun veröffentlichte Papier wertet laut FAZ rund 80 Dokumente der vergangenen 30 Jahre aus, die in offiziellen Dialogen mit orthodoxen, protestantischen, anglikanischen und altorientalischen Kirchen entstanden sind. Allerdings bleibe in der Schwebe,

„ob der Vatikan auch bereit wäre, Abstriche in der Sache zu akzeptieren. Der Text lässt auch eine weit weniger weitreichende Deutung zu: Das Unfehlbarkeitsdogma müsste demnach nur besser erklärt und anders gewichtet werden. Das von der vatikanischen Ökumene-Behörde unter Leitung des Schweizer Kardinals Kurt Koch herausgegebene Papier bleibt in diesem wie in vielen anderen Punkten vage.“

Von einer inhaltlichen Neuausrichtung der vatikanischen Positionen ist dagegen nirgendwo die Rede.

Annäherung trotz fehlender neuer Inhalte

Trotzdem scheint alles auf eine Annäherung der Konfessionen hinauszulaufen. Nach Ansicht des früheren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, werden Kirchentage und Katholikentage immer ökumenischer, so dass es „in einer mittelfristigen Perspektive läge [… ,] dass wir irgendwann sagen ‚Warum machen wir das nicht komplett zusammen‘?“ Kardinal Koch auf alle Fälle kündigte als ersten Schritt an, „dass der Vatikan die Vorschläge den anderen Kirchen zur Bewertung zusenden werde. Man hoffe auf positive Antworten und weiterführende Gespräche.“ Sehr weit entfernt von der Realität scheint er mit seiner Hoffnung nicht zu liegen.

Tiefe Verknüpfung Bergoglios mit evangelikaler Bewegung

All das Bestreben des Papstes zu einer sichtbaren Einheit mit anderen christlichen Kirchen wird nur verständlich mit dem Wissen um die tiefe Verknüpfung des heutigen Papstes, damals Kardinal Bergoglio, zu den evangelikalen Bewegungen. Die evangelikale Seite people of praise berichtet darüber wie Bergoglio anlässlich einer ökumenischen Andacht in Argentinien darum bittet, dass die geistlichen Leiter, katholische wie auch evangelikale, für ihn beten würden, was auch geschieht.

„Nach dieser Konferenz begann der Kardinal, regelmäßig mit einer Gruppe von evangelikalen Pfarrern zu beten. Später arrangierte er, dass einige von ihnen bei Exerzitien für die katholischen Priester der Erzdiözese Buenos Aires predigten, um ihnen zu helfen, eine persönliche Beziehung zu Jesus zu finden.“

Auch National Geographic berichtet darüber, wie Bergoglio sagt:

„Wie schön, wenn Brüder vereint sind, wenn Brüder miteinander beten. Wie schön zu sehen, dass wir vielfältig sind, aber eine versöhnte Vielfalt sein wollen und bereits auf dem Weg dahin sind.“ Und: „Vater, wir sind gespalten. Vereine uns!“

All das sind tiefe emotionale Momente, die je nach Position, entweder verstören oder begeistern. Bergoglio polarisiert.

„The protest is over!“

Zu den ökumenischen Bestrebungen des Papstes gehörte auch die tiefe Freundschaft von Papst Franziskus zu Tony Palmer, einem charismatischen Bischof aus einer anglikanischen Gemeinschaft, über die ebenfalls people of praise berichtet. Von der Unterzeichnung der Gemeinsamen Rechtfertigungslehre zwischen katholischer und evangelischer Kirche im Jahr 1999 war Palmer begeistert. Einige Jahre später unterzeichnen auch die methodistischen, anglikanischen und reformierten Kirchen. Palmer wollte etwas ändern an der Tatsache, dass Millionen von Christen „noch nie etwas von der Erklärung gehört hatten und ihr Leben so lebten, als ob der Protest noch in Kraft wäre.“ Auf einer Konferenz von evangelikalen Leitern spielte er eine Videobotschaft von Papst Franziskus ab, in der dieser sich selbst mit Joseph und die getrennten Christen mit den Brüdern Josephs verglich und diese einlud, zurückzukommen. „The protest ist over“, betonte Palmer in seinem berühmt gewordenen Video von der Konferenz.

„Wenn es keinen Protest mehr gibt, wie kann es dann eine protestantische Kirche geben? Vielleicht werden wir jetzt alle wieder Katholiken. […] Der Protest ist vorbei, der Protest ist vorbei.“

Nach der Begrüßung des Papstes auf einer riesigen Leinwand standen die Pfingstler auf, beteten mit erhobenen Händen enthusiastisch für Franziskus ,,in Zungen und im Geist“, so beschreibt es people of praise. Nachdem dieses Video viral ging, wurde Palmer „mit E-Mails von Evangelikalen und Pfingstlern bombardiert, die an dem Wunder der Einheit teilhaben wollten. Emiliana (Palmers Frau) rief Franziskus an und fragte, was sie tun sollte. Er sagte ihr, sie solle ‚loslassen‘ - der Wind des Geistes wehte.“ Palmer kommt 2014 bei einem Motorradunfall ums Leben, der Geist der Ökumene lebt weiter.

Ist der Protest wirklich vorbei?

Wes Geistes Kind die Ökumene ist, ist offenbar. Es darf nicht vergessen werden, dass Franziskus Jesuit ist. Gegründet wurde der Orden der Jesuiten als Gegenbewegung zum Protestantismus zur Zeit der Reformation. Von daher kommt Franziskus ein Mann wie Tony Palmer, der sagt: „The protest is over“ gerade recht. Natürlich ist der Papst für eine Vereinigung der Kirchen – unter seinem eigenen Vorsitz. Der inhaltliche Wert der gemeinsam unterzeichnete Rechtfertigungslehre verschwindet, sobald man das Ganze etwas unter die Lupe nimmt. Die alten antibiblischen Dogmen der katholischen Kirche wie Sonntag, Marienverehrung, Tradition über der Bibel, Rosenkranz und Ablass bestehen unverändert fort. Neue Doktrinen, wie die unbefleckte Empfängnis Marias (1854), die Unfehlbarkeit des Papstes (1870), der Papst als oberster Richter (1929) und Marias leibliche Himmelfahrt (1950) sind seit der Reformation hinzugekommen und machen einen Protest um so notwendiger.

Die Hand wird über den Abgrund gereicht

Vor mehr als 150 Jahren schrieb E. G. White in ihrem großen literarischen Werk über die Kirchengeschichte, dass die Protestanten der Vereinigten Staaten die Ersten sein werden, die der römischen Macht über die Kluft hinweg die Hand geben, den Fußspuren Roms folgen und die Rechte des Gewissens mit Füßen treten werden. (Vom Schatten zum Licht, S. 537.1) Dieses Geschehen bahnt sich prozesshaft heute vor unser aller Augen an. Dass evangelische Christen, trotz aller Widersprüche, bereit zu einer Wiedervereinigung mit Rom zu sein scheinen, zeigt auf, wo in der Kirchengeschichte wir heute stehen. Die Basis, auf der heute Wiedervereinigung stattfindet, ist nicht das Wort Gottes, sondern Emotionalität. Diese findet sich reichlich in dem die Konfessionen verbindenden evangelikalen und charismatischen Geist. Es ist der Geist Satans, der den Verstand der Menschen umnebelt und das rationelle Denken ausschaltet. Gottes Geist und Wort, die immer auch den Verstand und die Fähigkeit zur Entscheidung ansprechen, finden keinen Raum.

Jesus Christus ist das Ehrenoberhaupt seiner Gemeinde

Martin Luther hat gesagt:

„Wenn ihr nicht von ganzem Herzen dem Reich des Papstes absagt, so könnt ihr eure Seelen Seligkeit nicht gewinnen.“ (D. Martin Luthers Werke, Kritische Gesamtausgabe, Weimar 1883ff.)

Heute jedoch will die Macht, die von den Reformatoren als antichristliche Macht identifiziert wurde, wieder das Oberhaupt aller christlichen Kirchen sein. Aber der ökumenische Weg der christlichen Welt zurück in den Schoß der römisch-katholischen Kirche ist nicht der biblische Weg, sondern ein Irrweg. Jesus Christus ist der Fels, auf dem die Gemeinde steht (Matthäus 16,18). Er allein ist unfehlbar – in allen Fragen des Lebens. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben (Johannes 14,6) Von ihm wird gesagt:

„Und er ist das Haupt des Leibes, der Gemeinde, er, der der Anfang ist, der Erstgeborene aus den Toten, damit er in allem der Erste sei.“ (Kolosser 1,18/Schlachter-Bibel)

Haupt und Ehrenhaupt der Gemeinde ist niemand anderes als Christus allein.

StpH, 17.06.2024


Kommentare auf dieser Website sollen für nachfolgende Besucher von Nutzen sein. Unsere ganz subjektiven Moderatoren mögen daher Beiträge, die zum Thema passen, kultiviert sind und Lesewert mitbringen.