Plauderkassen auf dem Vormarsch

Wer kennt das nicht? Eigentlich drückt der nächste Termin. Schnell noch mal eine Kleinigkeit im Supermarkt besorgen und weiter! Aber statt dessen wartet man dann an einer langen Schlange. Und die ältere Kundin ganz vorn erzählt der Kassiererin von ihren Wehwehchen und kramt gefühlte Stunden nach dem passenden Kleingeld ohne es zu finden. Die Zeit der Tante-Emma-Läden ist vorbei. Fix muss es gehen, die Erde dreht sich weiter!

Seit März 2023 nun hat ein Edeka in Schweinfurt eine Plauderkasse in Betrieb genommen, die genau das erlaubt: Plaudern. An der Plauderkasse im Frische-Center Höchner sei nämlich genau das erlaubt, berichtet der Bayrische Rundfunk.

„Hier stellen sich nur Leute an, die sich gern Zeit nehmen. Wer es eilig hat, zahlt an einer der anderen geöffneten Kassen oder an einem der Automaten zum Selbstscannen. Seit vier Wochen hat die Plauderkasse testweise immer dienstags zwischen acht und zwölf Uhr geöffnet. Die Idee dazu kam Inhaber Marius Höchner im Mitarbeitergespräch mit Helga Schöner. Sie habe ohnehin viele Kunden, die extra bei ihr zahlen, um sich während des Einkaufs zu unterhalten, so Schöner. ‚Ich plauder einfach gern‘, erzählt die Kassiererin, ‚und viele Kunden freuen sich über die Zuwendung.‘ Durch die Plauderkassen sei das nun möglich, ohne andere Kunden aufzuhalten. Die Filiale könne so eine breite Kundengruppe ansprechen, bestätigt Inhaber Höchner. Als Gegenpol zum schnellen Einkauf stünden hier Service und persönlicher Kontakt im Vordergrund. ‚Ich glaube, das Konzept hat Zukunft‘, so Höchner.“

Erstmals eingeführt hat langsamere Kassen die niederländische Supermarkt-Kette „Jumbo“ schon im Jahr 2019, berichtet Kontraste.at. Die Idee dahinter sei, dass dort die Kunden nicht nur mehr Zeit zum Bezahlen und Einpacken hätten, sondern auch, um mit den Kassierern ins Gespräch zu kommen.

„Das Ziel ist, der grassierenden Einsamkeit, vor allem im Alter, entgegenzuwirken. Mittlerweile haben 200 der 700 ‚Jumbo‘-Filialen derartige Plauderkassen. […] Laut einer Befragung fühlt sich jeder Zehnte in den Niederlanden einsam. Von den 1,3 Millionen Erwachsenen über 75 Jahre sagt das sogar jeder Dritte. Die Kampagne der Regierung adressierte zum einen ältere Menschen und ermutigte sie, hinauszugehen und etwas zu unternehmen. Zum anderen hat man an alle in der Bevölkerung appelliert, sich bei den eigenen älteren Verwandten und Nachbarn im Haus mal zu melden.“

Zusätzlich seien bei „Jumbo“ auch Plauderecken eingerichtet worden, in der sich die Kunden zum Kaffee treffen könnten. Die Mitarbeiter der Supermarktkette würden zudem darin „geschult, zu erkennen, wenn es jemandem nicht so gut geht – und das Gespräch zu suchen.“

Plauderkassen auch in anderen Ländern

Auch in anderen Ländern gebe es derartige Projekte wie die „Kletskassa“, wie die Plauderkasse auf niederländisch heißt. So informiert der Bayrische Rundfunk, dass es auch im schnell alternden Japan „langsame Kassen“ gebe, „die sich explizit an Senioren und Menschen mit Behinderung richten. Und im Schweizer Basel wird durch ein Plauderkassen-Projekt gezielt auf andere soziale Unterstützungsangebote aufmerksam gemacht.“

„Gerade für ältere und alleinstehende Menschen gehört das Einkaufen manchmal zu den wenigen sozialen Gelegenheiten. […] Aber auch jüngere Menschen und Familien würden sich anstellen und freuen, wenn sie die Einkäufe in Ruhe einpacken können. Gleichzeitig kann das Konzept auch das Kassenpersonal entlasten. Man habe deutlich weniger Druck, bestätigt Schöner.“

Bisher seien die Rückmeldungen durchweg positiv.

Einsamkeit auch in Deutschland ein Thema

Dass Vereinsamung auch in Deutschland ein Thema ist, darüber schreibt die Barmer im April 2023:

„Die Zahl der sich einsam fühlenden Menschen hat über die letzten Jahre in Deutschland deutlich zugenommen. Das ist alarmierend und naheliegend zugleich, denn viele waren oder sind von den Lockdown-Beschränkungen während der Coronapandemie betroffen, arbeiteten vermehrt im Homeoffice und mussten auf persönliche Begegnungen verzichten. Das Leben findet zu Hause statt – und das hat Folgen.“

Besonders ältere Menschen, und da speziell Frauen, seien von dem Gefühl der Einsamkeit betroffen.

In der Zeit der ersten urchristlichen Gemeinde dürfte es dieses Phänomen weniger gegeben haben. Damals waren alle Gläubigen

„beisammen und hatten alle Dinge gemeinsam; sie verkauften die Güter und Besitztümer und verteilten sie unter alle, je nachdem einer bedürftig war. Und jeden Tag waren sie beständig und einmütig im Tempel und brachen das Brot in den Häusern, nahmen die Speise mit Frohlocken und in Einfalt des Herzens“. (Apostelgeschichte 2, 44 bis 46)

Auch heute möchten wir Sie ermutigen, Gemeinschaft mit gläubigen Menschen zu suchen und die Augen offen zu halten, wo vielleicht in Ihrem Umkreis jemand einsam ist und für ein offenes Ohr oder Gespräch dankbar wäre.

StpH, 04.07.2023, 09:11 Uhr


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