Ralph Drollinger, Bibellehrer der Mächtigen

Der 63-jährige Ralph Drollinger ist ein ungewöhnlicher Mann. Das liegt nicht nur an seinen stattlichen 2,19 m Körpergröße. Mit 18 Jahren übergab der ambitionierte Sportler sein Leben Christus, studierte Geografie und später Theologie. Nebenbei trainierte er in seiner Lieblingssportart, dem – man kann es sich denken – Basketball. Ein Jahr lang verdiente er sein Geld sogar in der amerikanischen Profiliga NBA, bevor er 1981 wegen Knieproblemen aufhören musste. Zudem ist Drollinger, dessen Vater ein Fachgeschäft für Alpinismus-Ausrüstung gründete, auch ein Weltklasse-Bergsteiger und die erste Person, die alle wichtigen Gipfel der amerikanischen Sierra Nevada-Gebirgskette bezwungen hat, darunter den Mount Whitney, mit 4421 Metern der höchste Berg der USA.

Drollingers sportliche Fähigkeiten hielten ihn nicht davon ab, ein noch wichtigeres Ziel zu verfolgen: die Verkündigung des Evangeliums. Schon während des Geografiestudiums hatte er mehrere Angebote als Basketball-Profi erhalten, doch lehnte er ab und reiste lieber mit den missionarisch gesinnten Basketballern von „Athleten in Aktion“ um den Globus, die die Halbzeitpause dazu nutzten, das Evangelium zu predigen. Seiner kurzen Laufbahn als Profi-Basketballer folgten verschiedene evangelistische Initiativen, um den christlichen Glauben in der Welt des Sports bekannt zu machen.

1997 gründete er das Missionswerk Capitol Ministries, das speziell Politiker erreichen will und heute in 40 US-Landeshauptstädten und 24 Ländern weltweit aktiv ist. In seinem Buch Rebuilding America: The Biblical Blueprint [Amerikas Wiederherstellung: Der biblische Plan] legt er dar, warum Christen eine besondere Verantwortung für diese Zielgruppe haben. Drollinger weist darauf hin, dass z. B. Lukas, der mit seinem Evangelium und der Apostelgeschichte rund ein Drittel zum Neuen Testament beigetragen hat, an eine Person schrieb, die man aufgrund der Anrede „hochedler Theophilus“ (Lukas 1,3) als politischen Führer identifizieren kann. Ein weiterer Punkt ist, dass Paulus von Gott dazu bestimmt war, das Evangelium „auch vor Könige“ zu tragen (Apostelgeschichte 9,15).

Capitol Ministries feiert im Herbst dieses Jahres (2017) sein 20-jähriges Bestehen. Vielleicht war das ein Grund, warum sein Präsident Drollinger, der die US-Presse als wenig vertrauenswürdig meidet, der deutschen Welt am Sonntag Ende Oktober ein Exklusiv-Interview zugestand. Sein Bibeldienst hat mittlerweile auch in Washington D. C. Fuß gefasst, und jede Woche bietet Drollinger Politikern drei Gelegenheiten zum gemeinsamen Bibelstudium an: einmal für Kongress-Abgeordnete, dann für Senatoren und seit Kurzem auch für Mitglieder der US-Regierung.

Ein Bibelkurs ist etwa 12 Teilnehmer groß. Der für die Regierung hat als regelmäßige Teilnehmer Vizepräsident Mike Pence, Justizminister Jeff Sessions, Wohnungsbauminister Ben Carson und Bildungsministerin Betsy DeVos. Aber auch Landwirtschaftsminister Sonny Perdue, Energieminister Rick Perry und CIA-Direktor Mike Pompeo sind oft dabei. Das einstündige Programm umfasst einen Imbiss, gefolgt von einer gut 30-minütigen Vers-für-Vers-Bibelauslegung durch Drollinger und anschließend Zeit für Fragen und Gespräch. Häufige Themen sind die Bergpredigt und die Sprüche Salomos, die viele wichtige Einsichten für Leiter enthalten.

Ralph Drollinger ist ein konservativer Christ, der die ganze Bibel als von Gott inspiriert annimmt und beispielsweise an Sechs-Tage-Schöpfung, Auferstehung und die Wiederkunft Jesu glaubt. Dabei ist in seinen Ausführungen von Dominionismus – der Ansicht, Gottes Reich müsse in dieser Welt errichtet werden – nichts zu erkennen. Laut Deborah Mendenhall, Sprecherin von Capitol Ministries, vertritt Drollinger die institutionelle Trennung von Kirche und Staat, nicht jedoch die Abschottung des Staates gegen christliche Einflüsse, was ein großer Unterschied sei. In seiner lesenswerten Members Bible Study vom 30. Oktober 2017 stellt er ausführlich dar, dass Gott Staat und Kirche jeweils verschiedene Aufgaben in der Gesellschaft zugewiesen hat und es unweigerlich zu Missbrauch führt, wenn die jeweiligen Kompetenzen überschritten werden. Wie gut, dass auch solche Stimmen in Washington zu hören sind!

Präsident Trump ist bei den Bibelkreisen zwar nicht anwesend, erhält aber die schriftlichen Ausarbeitungen und schickt sie oft mit einem kurzen Kommentar zurück, z. B. „Tolle Bibelstunde“ oder „Mir gefällt diese Andacht, Ralph“. Drollinger beschreibt Trump als sensiblen Mann, der Gott gefallen möchte. „Wenn ihm ein guter Prediger mehr über die Bibel beibringen würde, könnte das sicher sein Herz verändern“, meint er. Denn im Gegensatz zu anderen evangelikalen Gruppierungen möchte Drollingers Capitol Ministries nicht in die Politik selbst eingreifen, sondern das Herz von Politikern erreichen. Und damit tun sie ihren Teil zur Erfüllung von Jesu Auftrag, alle Menschen mit dem Evangelium zu erreichen – auch die Mächtigen dieser Welt.

Gott liebt die Führer dieser Welt nicht weniger als andere Menschen, und weil sie große Verantwortung tragen, fordert er uns auf, für sie zu beten. „Ehrt den König“, schreibt Petrus an die Gläubigen (1. Petrus 2,17), und Paulus ermahnt die Gemeinde, „dass Flehen, Gebete, Fürbitten, Danksagungen getan werden für alle Menschen, für Könige und alle, die in Hoheit sind“ (1. Timotheus 2,1.2). Vielleicht können wir das nächste Mal, wenn wir geneigt sind, einen Politiker zu kritiseren, einfach einmal innehalten und stattdessen für ihn beten.


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