The Line - Gläserne Stadt in der Wüste
„Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen“! Dies sollte beherzigen, wer einen Stein in Neom werfen möchte, zumindest in der Querrichtung. Denn Neom soll, bei einer Länge von 170 Kilometern, nur 200 Meter breit sein – und 500 Meter hoch. Neom, das ist der Name für ein Bauprojekt in Saudi Arabien; eine Stadt, deren Außenwände aus verspiegeltem Glas bestehen sollen. „Nach außen komplett verspiegelt, drinnen kühle Gärten und Raum für neun Millionen Menschen, alle verbunden über einen unterirdischen Hochgeschwindigkeitszug, dennoch dezentral, kein Weg soll mehr als 20 Minuten benötigen.“ So beschreibt es Spiegel online am 12. August 2022. Neun Millionen Menschen – das entspricht in etwa der Gesamtbevölkerung der Schweiz.
Schon 2017 war das Zukunftsprojekt der Weltöffentlichkeit vorgestellt worden. „Eine Wirtschaftskraft so stark wie Polen und eine Fläche so groß wie Ruanda - ein neues Land, in dem es mehr Roboter als Menschen geben könnte: Das alles verspricht Saudi-Arabien mit ‚Neom‘“, berichtete Spiegel online damals. „In der Digital-Industriezone sollen alle Dienstleistungen und Standard-Prozesse zu hundert Prozent automatisch ausgeführt werden.“ Treibende Kraft hinter ‚Neom‘ sei Mohammed bin Salman, der saudische Kronprinz, der vorhat, das Land mit der ‚Vision 2030‘ wirtschaftlich und gesellschaftlich zu reformieren. „Um den Traum von seinem Phantasialand zu erfüllen, hat er sich Expertise aus Deutschland geholt - Klaus Kleinfeld. Der ehemalige Siemens -Chef soll es schaffen, ‚den lebenswertesten Ort der Welt und das künftige Handelszentrum Saudi-Arabiens‘ aufzubauen.“ Das vorgesehene 26.500 Quadratkilometer große Gebiet liege im Nordwesten von Saudi-Arabien, in direkter Nähe zu Jordanien und Ägypten. Es sei umgeben von Wüste, bis zu 2500 Meter hohen Bergen und dem Roten Meer. „Vor der 465 Kilometer langen Sandstrandküste soll ein Luxus-Touristenparadies auf 50 Inseln entstehen.“ Sogar eigene Gesetze und Steuersätze soll es in Neom geben.
„Neom“ (sprich: „Nium“) sei ein Kunstwort dessen erste drei Buchstaben für das Wort „neu“ stünden. „Der vierte Buchstabe ‚m’ steht für den Anfangsbuchstaben des arabischen Wortes für Zukunft - ‚Mustaqbal‘. Zusammengenommen heißt das Projekt also ‚Neue Zukunft‘. Um eben die geht es Riad nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch.“ Und futuristisch sieht sie aus, die Stadt, wie sie von Saudi Arabien auf einer eigenen Website vorgestellt wird.
Laut Spiegel online sind die Pläne für den Bau der Stadt dabei ganz konkret: „Im Jahr 2026 soll Neom 450.000 Einwohner haben, 2030 sollen es dann 1,5-2 Millionen sein und 2045 dann neun Millionen. Für 2029 bewirbt sich Saudi-Arabien mit dem zu Neom gehörenden Stadtkomplex Trojena um die Ausrichtung der Asiatischen Winterspiele. Die Stadt soll zu hundert Prozent mit erneuerbarer Energie versorgt werden, das kompakte Design soll Müll vermeiden und insgesamt umweltfreundlicher sein. Die Lage sei ‚perfekt‘, um Strom aus Wind und Solarkraft zu erzeugen“, wird der Kronprinz zitiert. Die Entwürfe für NEOM „sehen aus wie aus einem Science-Fiction-Film: Es glitzert und blinkt, alles blitzsauber und utopisch, vollkommen verspiegelt, atemberaubende Ansichten.“
Doch so perfekt und blitzsauber die Vision der Stadt erscheint, so wenig ist es ihre Errichtung. „2020 wurde bekannt, dass für den Bau der Stadt bereits Zehntausende Anwohner ihre Dörfer verlassen mussten. ‚Neom wird auf unserem Blut und unseren Knochen gebaut‘, äußerte die saudi-arabische Aktivistin Alya Alhwaiti damals gegenüber dem Spiegel. Auch sie gehört zum Stamm der Hwaiti, der seit Hunderten von Jahren in der Gegend, in der Neom entstehen soll, lebt.“ ABC-news gegenüber erklärte Alhwati, dass den Menschen (Beduinenstämme) in den 13 Dörfern am Roten Meer, in denen Neom gebaut werden soll, ursprünglich versprochen worden sei, dass sie von dem Projekt stark profitieren würden. Stattdessen erhielten sie angeblich nur 4.000 Dollar, wenn sie das Dorf verließen. Denjenigen, die sich weigerten, sei der Strom abgestellt oder sie selbst mittels gelegter Feuer vertrieben worden; ihnen drohe Gefängnis oder Tod.
Das mit 500 Milliarden US-Dollar angegebene Projekt mit einer 30-fach größeren Fläche als New York ist mittlerweile nicht nur Fiktion. Bereits im Jahr 2021 begannen die Bauarbeiten zu dem Vorhaben, welches allgemein mehr unter dem Namen „The Line“ bekannt ist, „mit der Grundsteinlegung des ‚Rückrates‘. Damit ist die 170 Kilometer lange Basisstruktur gemeint, auf die The Line errichtet wird. Die Grundsteinlegung der ersten Wohnmodule erfolgte im Frühjahr 2022“, berichtet Netzwelt. „Passkontrollen oder Ähnliches entfallen - alles laufe biometrisch. […] Freunde, Krankenhäuser, Parks, Schulen, Universitäten - all das sei für die zukünftigen Bewohner fußläufig erreichbar. “ Laut Bild sind bereits zwei Kilometer des Projektes, fertiggestellt. 2024 sollen die ersten Wohnungen bezugsfertig sein. Autos und Straßen werde es nicht geben. Alles was zum Leben gebraucht wird, soll in fünf Minuten erreichbar sein.
Während all das auf den ersten Blick ganz nett erscheinen mag, steigen gleichzeitig auch dystopische Ahnungen auf: „Die Armen werden demnach in der zigarrenförmigen Stadt zusammengepfercht, womöglich in engen und düsteren Apartments ganz unten in den 500-Meter-Wänden. Reiche hingegen können sich Anwesen außerhalb der Mauern leisten. Wenn es ihnen in den 500-Meter-Wänden zu eng wird, lassen sie sich zur Sommerfrische in die umliegenden Berge kutschieren. Oder wird es umgekehrt, die Reichen wohnen im futuristischen Utopia, die Armen bauen sich Favelas vor den gigantischen Mauern auf?“, fragt der Spiegel etwas genauer nach.
Wie auch immer man The Line bewertet: Auf der neuen Erde gibt es eine goldene Stadt gleich reinem Glas, inmitten des wiederhergestellten Garten Edens, die wirklich lebenswert ist. Jesus selbst verspricht: „Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen; wenn nicht, so hätte ich es euch gesagt. Ich gehe hin, um euch eine Stätte zu bereiten. Und wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, damit auch ihr seid, wo ich bin.“ (Johannes 14, 2.3) Diese Stadt ist unsere künftige Wohnstatt, kein Leid und kein Schmerz werden dort sein. Auf sie und ihren Erbauer soll stets unser Blick gerichtet sein.
StpH, 23.08.2022, 10:52 Uhr