Zehn Fragen des Verfassungsgerichtshofs in Österreich

Einen Monat ist es her, dass wir von Amazing Discoveries unseren und Ihren Blick nach Österreich gewendet hatten. Dort ist mittlerweile die damals angekündigte und weltweite stark beachtete Impfpflicht am 5. Februar 2022 in Kraft getreten. Vielbeachtet wurde auch folgende Aussage der Verfassungsministerin Karoline Edtstadler: „Schauen Sie bitte hin, mit welcher Breite an Zustimmung die Impfpflicht beschlossen worden ist und mit welcher Vielfalt […] auch Verfassungsjuristen sagen, dass das der einzige Weg ist raus aus der Demokratie.“ Dieser Satz ging viral und bringt, wenn auch überall als freudscher Versprecher bezeichnet, haargenau zur Sprache und auf den Punkt, „was viele Gegner des am 20. Januar beschlossenen Gesetzes mit der Ziffer 2173/A seit langem und immer wieder lauthals befürchten“, wie Cicero es beschreibt.

Nun wollen aber die österreichischen Verfassungsrichter die Demokratie nicht so leichtfertig preisgeben. Deshalb wurde vom Verfassungsgerichtshof in Österreich (VfGH) ein Fragenkatalog, bestehend aus zehn Fragen, an das Gesundheitsministerium übermittelt. Laut OÖNachrichten erbitten die Höchstrichter bis 18. Februar 2022 „Auskünfte zu insgesamt zehn Fragenkomplexen – die Ergebnisse sollen in eine allfällige mündliche Verhandlung mit einfließen. Beim VfGH waren etliche Beschwerden wegen der Verordnungen, die Lockdown, 2G- oder 3G-Regeln umfassen, eingelangt. Die Höchstrichter wollen nun vom Gesundheitsressort wissen, ob die Belastung des Gesundheitssystems die Maßnahmen gerechtfertigt habe.“ Konkret werde nachgefragt, ob jemals eine Überlastung des Gesundheitssystems gedroht habe – ein Szenario, das laut Gesetz erst einen Lockdown rechtfertige. Gefragt wird weiter nach Hospitalisierungs- bzw. Verstorbenenzahlen aller mit SARS-CoV-2 infizierten Personen.

Die Fragen betreffen genau die Themen, um die es sich dreht, wenn es um solch weitreichende Eingriffe in Rechte und Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger geht. Weitere Fragen beispielsweise lauten:

2 Wie hoch ist das Durchschnittsalter und wie hoch ist das Medianalter der wegen COVID-19 auf Normalstationen und auf Intensivstationen hospitalisierten Personen sowie der an COVID-19 verstorbenen Personen?

6 Um welchen Faktor reduziert das Tragen einer FFP2-Maske in geschlossenen Räumen bzw. im Freien das Ansteckungs- bzw. Übertragungsrisiko?

8.2. Wie hoch ist das Übertragungsrisiko bei einer mit SARS-CoV-2 infizierten Person mit Zweitimpfung, die drei, sechs bzw. acht Monate zurückliegt, im Vergleich zu einer ungeimpften Person, deren negativer PCR-Test 24 Stunden zurückliegt?

Die letzten Fragen beziehen sich auf den „Lockdown für Ungeimpfte“ und inwieweit dieser Auswirkungen auf die Hospitalisierungen hat. Besonders die zehnte Frage hat es in sich. Sie lautet:

10 Die Tageszeitung „Der Standard“ berichtete am 2. Dezember 2021 unter der Überschrift „Weniger COVID-19-Opfer als letzten Herbst, aber höhere Übersterblichkeit“, dass es gegenüber dem Vorjahr um ein Drittel weniger COVID-19-Todesfälle gebe, zugleich aber eine wöchentliche Übersterblichkeit im dreistelligen Bereich. Trifft dies zu? Falls ja, wie hoch war die nicht durch an COVID-19 verstorbenen Personen erklärbare Übersterblichkeit in Summe im Jahr 2021, und wie erklärt sich diese Übersterblichkeit?

Der Standard hatte geschrieben: „Dass es gegenüber dem Vorjahr um ein Drittel weniger Covid-19-Todesfälle gibt, zugleich aber eine wöchentliche Übersterblichkeit im dreistelligen Bereich, lässt auch Experten rätseln“. Weiter bemerkte der Standard: „Weniger Todesopfer und eine geringere Spitalsbelegung als 2020 – ganz bestimmt muss das 2021 auch zu einer geringeren Übersterblichkeit geführt haben. Könnte man meinen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. […] So bleibt die Übersterblichkeit ein Phänomen ohne wirkliche Erklärung.“

Die Logik gebietet es, danach zu fragen, was 2021 anders war als 2020. Eine sehr naheliegende Erklärung für die Übersterblichkeit 2021 sind die Impfungen, denn 2020 wurde noch nicht geimpft, 2021 dagegen waren viele Bürger und Bürgerinnen Österreichs ein- oder mehrfach geimpft. Dass mit der in Rekordzeit entwickelten Impfung eine Gefahr bei deren Anwendung für die Bevölkerung einhergeht, war abzusehen. Die Antwort auf diese Frage fordert nun der Verfassungsgerichtshof bis zum 18. Februar ein.

Manche Reaktionen des Gesundheitsministeriums lassen allerdings gar nicht so lange auf sich warten. Nur zwei Tage nach der Übermittlung der Fragen wurde der Lockdown für Ungeimpfte von der Bundesregierung aufgehoben, kurze Zeit später die 2G-Regel im Handel, in Museen, Kunsthallen und Bibliotheken, wie das Sozialministerium informiert. Laut Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) könnte die in Österreich gerade in Kraft getretene allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus schon bald wieder ausgesetzt werden. „Wenn sich ein Expertenrat dafür ausspreche, werde man sich daran halten, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nach einem Bericht der Zeitung ‚Krone‘ vom Sonntag in einem Interview.“ Die Fragen zeigen Wirkung.

In Deutschland ist um die für Mitte März geplante einrichtungsbezogene Impfpflicht „aktuell ein Streit entbrannt. Auslöser war die Aussage des bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), er werde das Gesetz, das er selbst mitbeschlossen hat, zunächst nicht umsetzen“, meldet die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. Wie die F.A.Z. berichtet, hat aber das „Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe […] einen Eilantrag gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht abgewiesen. Ab 15. März müssen Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen eine Impfung gegen das Coronavirus vorweisen.“

Es gilt, weiterhin zu beten „für alle Menschen, für die Könige und die Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit.“

StpH, 15.02.2022, 8:08 Uhr


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